Ultra Modern Chaos Draft

Ende März bekam ich die Gelegenheit, an einem Magic Event teilzunehmen, wie man es nicht alle Tage erlebt:

1 Draft ... 42 Editionen ... ULTRA MODERN CHAOS DRAFT!

Tobias Heck hatte den gesamten Modern-Pool von der 8th Edition bis Theros (+ Modern Masters) als Draft Sets besorgt und diesen Wahnsinn organisiert. Andi hatte das Dragonlord Games in Saarbrücken extra sonntags aufgeschlossen und als Location zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle nochmal vielen Dank an die beiden!!!

Einundvierzig Spieler und eine Spielerin waren der Einladung gefolgt und der Laden dementsprechend gerammelt voll. Die Meute wurde in drei Draft Pods aufgeteilt, die jeweils nochmal in zwei Tische gesplittet wurden, sodass wir zu siebt draften und zu vierzehnt spielen würden. Der Modus war 4 Runden Swiss mit anschließend Rare- und Mythicpick. Tobias verteilte die Booster nach dem Losprinzip.

Bei meiner Zuteilung mache ich zunächst mal ein langes Gesicht ... Champions of Kamigawa ... dann folgt Dragon's Maze ... Aber zum Abschluss bekomme ich doch noch was Schönes: Zendikar ! Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mit meinen Vorurteilen über den Powerlevel der einzelnen Editionen total daneben lag. Limited ist eben nicht Constructed.

Wir dürfen uns die Reihenfolge, in der wir die Booster öffnen, selbst aussuchen. Ich kann aber keine besonders sinnvolle Ordnung erkennen und nehme sie mir deshalb einfach so vor, wie ich sie bekommen habe. Einen erfolgversprechenden Plan habe ich auch nicht in der Tasche, obwohl ich die Frage vorher hier im Forum in die Runde geworfen hatte. Also Schema F: Spoiler, Removal, Kurve. Ich bin ganz schlecht darin, auf Anhieb Synergien zwischen Crap-Karten erkennen zu können, wie Limited-Experten es so machen. Deshalb versuche ich das lieber gar nicht.

Erster Booster: Champions of Kamigawa. Ich erwarte nichts und werde positiv von einem sehr ordentlichen Limited-Booster überrascht. Die Entscheidung fällt zwischen dem soliden Removal Yamabushi's Flame, dem Ramp Kodama's Reach, der mich für alle Farben offen halten würde und der Rarebombe Ryusei, the Falling Star, von der ich nicht weiß, ob ein 6-Drop in diesem Format überhaupt Relevanz hat. Aber wenn ich mir überlege, was ich am wenigsten bei meinem Gegner sehen will, dann muss ich einfach den Drachen nehmen. Mit könnte ich ihn auch überall reinsplashen.
Für den zweiten Pick grinst mir schon wieder Kamigawa entgegen, diesmal die Saviors. Doch statt Enttäuschung meldet sich das zweite Mitglied der Rot-Staffel bereit: Skyfire Kirin. Die Marschrichtung ab jetzt ist klar. Rot wird hart geforcet. Leider lassen sich in den folgenden Boostern die Rot-Piloten bitten und ich muss mich auf die Suche nach einer Zweitfarbe machen. Dabei pendele ich zwischen Schwarz und Grün, aber sehe keine eindeutigen Signale. Na gut, Death Denied tablet, aber irgendwie unterschätze ich die Karte und habe zuviel Angst vor Doppelschwarz.
Ich halte mich weitgehend fern von allen Block-spezifischen Mechaniken, weil ich bezweifle, dass man die kritische Masse, die man für solche Themendecks braucht, hier erreichen kann. So picke ich aus dreimal Mirrodin und Konsorten lieber den Artefakt-Hate als die Infecter.

Zweiter Booster: Dragon's Maze. Wieder die teure Rare nehmen? Boros Battleshaper kostet leider noch mehr als der Drache und in weiß lockt mich bisher auch mal so gar nichts. Ich bleibe bei Weapon Surge hängen und male mir im Kopf schon die Blow Outs aus, die ich mit dem Overload und einem unvorbereiteten Gegner anstellen kann. Und heute werden sie alle unvorbereitet sein, wenn ich das Ding firstpicke und es im Draft keiner zu Gesicht bekommt. Also Combat Trick-Pick.
Von links kommt Lorwyn und bringt Imperious Perfect mit. Ok, die Rare fehlt, aber welche Bomben pickt man denn da drüber? Egal, ab jetzt besonderes Augenmerk auf Elfen legen. Elvish Champion (Tenth Edition) und Thornweald Archer ergänzen das Thema. Grün wird jetzt ganz sicher meine Zweitfarbe. Zwar sammle ich mit Jodah's Avenger noch einen blauen Spoiler ein (warum tablet der überhaupt???), aber hauptsächlich weil ich nicht dagegen spielen will.

Dritter Booster: Zendikar. Elemental Appealt mich zwar, aber die vier kleinen Feuerbälle in der rechten oberen Ecke halten mich dann doch davon ab, die Rare zu nehmen. Stattdessen firstpicke ich Quest for the Gemblades, die mir vom Zendikar-Prerelease noch sehr unangenehm in Erinnerung geblieben war (obv. auf der anderen Seite vom Tisch). Gatecrash liefert Ground Assault und sogar Disciple of the Old Ways macht die Runde. Entweder ich übersehe hier einige Leistungsträger oder meine Mitspieler zeigen nicht den nötigen Respekt vor dem First Strike Bären. Ich sammle noch einen späten Llanowar Elfen für meine Baumkuschler-Sammlung ein und habe, denke ich, genug Material für ein schönes, kurviges Deck ohne Füller.



Die Liste hat sich weitgehend selbst gebaut. Es gab nur wenige knifflige Entscheidungen. Bei Licht betrachtet hätte Shivan Sand-Mage natürlich nicht ins Deck gehört. Simian Brawler ist nicht nur die stärkere Karte, sondern auch einfacher zu casten. Da habe ich mich einfach von der Aussicht, einen Pseudo-Onedrop zu bekommen, blenden lassen. Subterranean Shambler war mir zu riskant wegen meiner eigenen kleinen Würste. Mit Petalmane Baku hätte ich die Skyfire Kirin-Ability aktivieren können, aber alleine war er einfach viel schlechter als die Alternativen und deshalb nicht im Deck.

Welche Lehren ziehe ich aus dem Draft?

Zuerst einmal muss man sich sehr konzentrieren und sehr genau lesen, was die einzelnen Karten genau machen. Die allerwenigsten werden alle Crapcommons der letzten zehn Jahre im Gedächtnis haben. Combat Tricks werden unglaublich aufgewertet, weil man sie kaum erwarten und drum herum spielen kann. Es macht durchaus Laune, Limited mal nicht nach vorgegebenen Mustern (Gilde / Tribe / Mechanik xy matters, etc) zu spielen. Das gibt dem ganzen ein ursprüngliches Magic-Gefühl, wie als man angefangen hat und einfach die Karten gespielt hat, die man in die Finger bekam. Auf der anderen Seite wird der Draft dann aber auch durch die ganzen nicht funktionierenden Build around me - Karten zugemüllt.
Deshalb bin ich mir inzwischen sicher, das der allgemeine Powerlevel durch das ganze Durcheinander eher niedriger als in einem normalen Block-Draft ist und nicht wie vorher gedacht einem Cube ähnelt. Trotzdem kann ich meine Horde noch überhaupt nicht einschätzen im Vergleich zu dem, was die anderen gebastelt haben. Sicher bin ich mir nur darin, dass ich nicht gegen den Herrn spielen möchte, der sich gerade lautstark über Firstpick Elesh Norn gefreut hat. Gespannt gehts in die erste Runde.

1. Runde gegen Boris mit Dimir Control

Ich haue munter auf seine Lebenspunkte ein, während er sich mit Tonnen von Removal gegen Ryusei und co wehrt. Dabei plündert er mit Death Denied, Recover und Beacon of Unrest (!) die Friedhöfe und erwirtschaftet sich so enormen Kartenvorteil. Irgendwann ist er auf einem einzigen Lebenspunkt und wir beide im Topdeckmodus angekommen. Hier mache ich den entscheidenden Fehler, als ich Land 9 und 10 auf der Hand behalte und so nicht Fiery Fall und Tangle Mantis im gleichen Zug spielen kann. Das reicht ihm um das Removal für den Mantis nachzuziehen und in der Folge knabbert ein Faceless Devourer an meinem bis dahin unversehrten Lebenspunktekonto. Als dann irgendwann der Beacon zurückkehrt und mir meinen eigenen Drachen vor die Nase setzt, ist Schicht im Schacht.

Spiel 2 ist eine weitere Abwehrschlacht, in der Boris sich unter anderem hinter Wingrattle Scarecrow und Tidehollow Strix verschanzt, die er (ihr ahnt es vermutlich schon) immer wieder aufs Schlachtfeld zurück beordert. Da ist dann auch in der Luft kein Durchkommen. Ich skelettiere einen Cyclopean Giant, der den genauen Wortlaut seiner Totursache ignorierend gierig meinen Gruul Turf versumpft. Der Token wird gegen seine versammelten X/1-Würste damit quasi unblockbar und piekst ein paar mal zu, bevor er sich auf dem Weg in die Red Zone verläuft. Goyfseidank habe ich kurz darauf den Bulldozer in Form von Ronin Cliffrider am Start, der getreu dem Werbeslogan eines bekannten deutschen Kreditinstituts den Weg frei macht für den Rest meiner rot-grünen Horden.

SB: - 1 Forest, + 1 Gremlin Mine
Danach bleiben nur noch weniger Minuten auf der Uhr, um die Entscheidung herbeizuführen. Passend dazu ziehe ich die perfekte Aggrokurve mit Gremlin Mine, Thornweald Archer und Imperious Perfect. Er versucht im Elferrat-Duell mit Hunter of Eyeblights dagegen zu halten und nimmt den Imperious ins Visier. Ich lasse meine zwei Spitzohren + Token + irgendeinen random Dude zum Alpha Strike antreten. Falls er blockt, wartet schon der Weapon Surge auf meiner Hand. Tut er aber nicht. Und den Perfect Shot bekommt er auch nicht, weil ich meinen Lord vorher mit Cultbrand Cinder von der +1/+1 Zielscheibe auf seinem Kopf "heile". Der Surge folgt dann im nächsten Zug für Lethal. Danke, Deck!

2. Runde gegen Julian mit BUG (vom anderen Tisch)

Ich halte on the Draw eine Hand mit Airforce, Doppel Forest und Foriysian Totem, aber finde das dritte Land nicht rechtzeitig und muss am Ende vom dritten Zug einmal abwerfen. Danach ziehe und spiele ich Wild Cantor, der für rot geopfert wird um Fiery Fall in einen Mountain zu cyclen. Elegant geht anders. Julian verprügelt mich inzwischen aus der Luft mit Stormbound Geist und Jagwasp Swarm. Da sich bei mir dann doch noch Länder zeigen kann ich ihnen kurz vor knapp den Drachen als dickes Stopschild entgegen halten. Gegenangriffe sind in der Situation aber nicht drin. Stattdessen werden jetzt auf beiden Seiten Bodentruppen herangeführt. Angetrieben von der Tattermunge Witch lasse ich jede Runde mein Kleinvieh Kamikaze-Angriffe gegen seinen Lotleth Troll fahren. Nach Topdeck Weapon Surge und kurzem Kopfrechnen animiere ich mein Totem und drehe alle Männer nach rechts. Ein Death Wind rafft das Totem dahin, aber der Angriff ist auch so heftig genug.

Nach dem Spiel frage ich Julian, warum er nicht den Ryusei zu den Fischen geschickt hat, um das Feld leerzuräumen. Er liest sich die Karte nochmal genau durch: "NICHTfliegend? ... Fuck"

Spiel zwei ist schnell erzählt. Ich halte wieder zwei Länder, aber diesmal mit Survivalist und anderem Kleinkram. Ich verpasse wieder den dritten Landdrop, aber habe schon Druck auf dem Board und ziehe die Länder 3 und 4 nur einen Zug später. Julian sucht noch nach Inspiration , findet jedoch nicht mehr Blocker als ich Removal, und weniger Removal als ich Angreifer.

3. Runde gegen Christian mit Naya (ebenfalls vom anderen Tisch)

Christian ist ein sehr erfahrener Spieler, der mich schon vor 10 Jahren bei meinem ersten Extended-Turnier schockgefrostet hat. Sturm kannte ich damals nur aus dem Wetterbericht und aus der Sportschau. Dementsprechend dumm hab ich aus der Wäsche geschaut.

Heute sieht die Ausgangslage etwas ausgeglichener aus. Er legt mit einer Zwergenarmee aus Elvish Visionary und Gather the Townsfolk los, während ich Survivalist und einen Elvish Champion ohne Gefolge am Start habe. Meinen Angriff beantwortet er mit Token-Verteidigung und Dauntless Onslaught. ich kontere mit Weapon Surge Overload, aber er hat den zweiten Pump (Giant Growth ?) und mein Lord segnet das Zeitliche. Großzügigerweise hatten wir beide den Bonus für den Visionary übersehen, sodass der in dieser Situation ein unbeteiligter Schaulustiger blieb. In der Folge habe ich einen Battle Rampart angetriebenen Drachen, dem er nur Peregrine Griffin entgegensetzen kann. Ohne Combat Tricks und mit einem Haufen Ländern auf der Hand gibt Christian zwei Züge später auf.

SB: - 1 Shivan Sand-Mage, + 1 Subterranean Shambler

Der Token-Hate bleibt im zweiten Spiel absolut irrelevant, denn Christian präsentiert mir die andere Hälfte seines Decks. Nach meiner anfänglichen Offensive mit Wild Cantor und Disciple of the Old Ways dreht er mit Rhox Brute mächtig auf und flasht dazu noch .
Yeva, Nature's Herald in meinen Gegenangriff mit dem Disciple. Ich chumpe den Brute mit dem Cantor um Quest for the Gemblades online zu bringen, habe aber erstmal kein geeignetes Ziel dafür, nur Battle Rampart. Topdeck Skyfire Kirin ändert die Lage zu meinen Gunsten. Nachdem ich beim Abholen meiner Quest-Belohnung noch einmal vor dem möglichen Removal gezittert hatte, haut das fliegende Feuerpferd Christian in zwei Zügen von 14 auf 0. Gerade noch so die Kurve gekriegt.

4. Runde gegen Carsten mit Gruul

Da wir die Einzigen sind, die 3-0 stehen, willigt Carsten in einen Draw ein und wir spielen nur um den ersten Pick beim Verteilen der Rares. Er hat ebenfalls rot und grün gedraftet, allerdings in der Variante, die ich als Schimmel-Deck kenne (Nennt das heute noch irgendjemand so?). Alles, was irgendwie aggressiv ist und eine Kurve, die bei schon fast zu Ende ist.

Im ersten Spiel verstecke ich mich zunächst hinter Battle Rampart und Thornweald Archer gegen den Ansturm, bis mein hastiger Ronin Cliffrider die Hälfte seiner Männer auf einen Schlag niederstreckt. Davon erholt er sich nicht mehr.

Die zweite Partie startet ähnlich, ich kümmere mich hauptsächlich um die Defensive, bis sich mein Trägerschiff ins Kampfgetümmel teleportiert. Aufgerüstet mit Gemblade-Upgrade zwingt der Drachen Carsten zur Kapitulation.

Maximaler Erfolg!

Vom abschließenden Rarepick bekomme ich leider nicht mehr viel mit, da ich den Zug erwischen muss. Ich greife als Erster einmal zu und mache mich dann mit einer nagelneuen Bitterblossom aus dem Staub. Carsten freut sich vermutlich über Elesh Norn, Grand Cenobite und wer auch immer auf Platz drei gelandet ist, hat sich wahrscheinlich eine Academy Ruins gesichert.

Insgesamt ein tolles und außergewöhnliches Event! (Das würde ich auch schreiben, wenn ich nicht gewonnen hätte). Sicherlich aufwendig in der Vorbereitung, aber so bekommt man als Teilnehmer auch das Gefühl, etwas Besonderes zu erleben. Sollte in eurer Nähe jemand eine solche Veranstaltung organisieren, lässt euch die Chance nicht entgehen!