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Kapitel 1: Der Wahn der Bahn

Geschrieben von Goblin Welder, 13. Dezember 2011 · 1.093 Aufrufe

Ich stehe wie so oft am Bahnhof und warte auf den Zug. Um 6.50 Uhr. Einfach zu früh. Ich verbringe die Wartezeit also in einer Art Trance, sodass auch die planmäßige Verspätung von einer Viertelstunde relativ schnell vorüber zieht.
Endlich kommt der Zug, rauscht am Bahnsteig vorbei, bremst mehrere Male abrupt und bleibt schließlich am Ende des Bahnsteigs stehen. "Sind wir mit der Emanzipation von Sehbehinderten mittlerweile so weit, dass die auch bei der Bahn angestellt werden?", frage ich halblaut mit leicht genervtem Unterton.
"Da hat bestimmt jemand seinen ersten Tag. Das ist sicherlich nicht böse gemeint.", antwortet die ewig freundliche ältere Dame neben mir.
Ich gebe nur "Mhm" von mir und beeile mich ebenfalls, den Zug zu erreichen. Dabei stapfe ich mit meinen Turnschuhen durch sämtliche Pfützen und dank der vorgefertigten Löcher muss nicht einmal warten, bis meine Füße nass sind.
Im Zug ist es wenigstens warm und der wohlige Geruch von Menschenmassen umhüllt mich. Ich blicke mich um entdecke ein Plakat, auf dem ein Maulwurf in Ritterrüstung vor einer Burg steht. Daneben steht in großen schwarzen Buchstaben: "Für unseren Feldzug sollten auch Sie gut gerüstet sein!".
"Hm, es gibt Leute, die für sowas auch noch bezahlt werden?", murmle ich.
"Die Komposition feudalistischer Elemente im Zusammenhang mit dem Symbol der Industrialisierung verstärkt die Aussagekraft auf ganz exquisite Weise. Zudem wird der Betrachter suggestiv durch das Bild der sicheren Rüstung manipuliert, was der Intention dieses Werkes durchaus zuträglich ist.", erklärt mir der angehende Webdesigner neben mir, ohne dass ich ihn gefragt hätte. Ich sollte wirklich mit den Selbstgesprächen aufhören. Als er zum nächsten Satz ansetzt, drehe ich mich schnell um.
Nun sehe ich vor mir eine Tür mit der Aufschrift "Führerraum". Im gleichen Augenblick öffnet sich die Tür und es erscheint der Schaffner, der Offizier des kleinen Mannes. Ich krame verzweifelt in meinem Portemonnaie nach meinem Studentenausweis, den ich schließlich zwischen meinem Schülerausweis aus der fünften Klasse und einem Kassenbon von anno damals entdecke. Erleichertet präsentiere ich mein Ticket dem Schaffner, deute beiläufig auf das "Feldzug"-Plakat und frage: "Fahren sie eigentlich auch nach Frankreich?"
"Aber sicher doch!", ruft der Schaffner und salutiert.
"Auf Schienen nach Frankreich? Geht das nicht besser auf Ketten?", antworte ich mit leicht ironischen Unterton, den der Schaffner leider nicht bemerkt.
"Sie wissen ja, die Bezinpreise, die Klimaerwärmung, hier sparen, da sparen. Früher ging das alles besser."
"Aha, jetzt weiß ich auch, wohin die ganzen Soldaten rationalisiert wurden", denke ich. "Zum Glück habe ich meine Selbstgespräche jetzt im Griff", sage ich. Verdammt.
"Wie bitte?"
"Ähh...Nichts. Weitermachen, Herr Schaffner!"
Der Schaffner setzt seinen Weg fort und schafft es noch ganze drei weitere Personen zu kontrollieren, bevor der Zug ankommt. Die übliche Durchsage ertönt: "Sie haben Ihr Ende erreicht. Wir hoffen, Sie haben die körperliche Nähe genossen. Bitte vergessen Sie beim Aussteigen Ihre persönlichen Gegenstände. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts!" Doch nicht die übliche Durchsage. Der Zug hält an und die Ersten steigen aus, bemerken zu spät das Fehlen des Bahnsteiges und fallen auf die Schienen. Aus dem Lautsprecher ertönt kurz darauf: "Ausstieg in Fahrtrichtung links!" Ich helfe der älteren Dame, die ebenfalls gefallen war, wieder in den Zug, während sie empört sagt: "Das hat der bestimmt mit Absicht gemacht. Ich hoffe, der hat heute seinen letzten Tag!"
Ich schmunzle nur und steige aus.




Das liest sich soweit schon ganz gut. Weitermachen
auch von mir ein lob. ich mag kurzweile texte mit inhalt.

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