Allerdings wird hier das falsche Unternehmen bestreikt. Nicht die Post ist hier das ätzende Unternehmen, sondern es sind die Konkurrenten wie z.B. Postcon oder TNT,....
Ganz klares NEIN! Hier wird genau das richtige Unternehmen bestreikt. Du hast zwar mit deiner Aussage grundsätzlich recht, was Wettbewerb zwischen der dt. Post und anderen Postdienstleistern anbelangt, nur geht es in dem aktuellen Streik nicht primär um Lohnerhöhungen.
Es geht viel mehr darum, dass die dt. Post im Bereich ihres Paketgeschäftes (DHL) in verschiedenen Regionen insgesamt 49 regionale Gesellschaften gründen will/gegründet hat um das Paketgeschäft teilweise auszulagern. Diese Tochtergesellschaften sind eigentlich nichts anderes als die von dir angesprochenen Billigdienstleister im Paketsektor. Dort sollen dann aktuell bei der Post als Angestellte beschäftige Personen übernommen werden und die gleiche Arbeit verrichten ohne dann noch in den Tarifvertrag der Post zu fallen. Damit will die Post Lohnkosten im Paketsektor drücken und den eigenen Haustarif umgehen und das ist eben eine Sauerei und so auch nicht in Ordnung. Es geht eben wie bereits gesagt nicht direkt um Lohnerhöhungen, sondern darum den aktuellen Schutz des Tarifrahmens aufrecht zuhalten und nicht Teile der Belegschaft ins "Lohndumping" abgleiten zu lassen.
Aus diesem Grund fällt die Stärke des Streiks und deren spürbaren Auswirkungen regional auch sehr unterschiedlich aus, da vor allem die Gebiete betroffen sind in denen die Gründung einer "Regionalgesellschaft" zur Diskussion steht. Ich wohne selbst in so einer Gegend und als Verbraucher ist es langsam echt nicht mehr lustig, kann aber den Streik in seinem Grund sehr gut nachvollziehen. Bereits seit dem 10.05./12.05. kam es hier im Brief-/Paketverteilzentrum immer wieder zu kurzen Arbeitsniederlegungen von teilweise nur wenigen Stunden. Aber auch dies war bereits merklich spürbar, brauchte ein Brief gewöhnlich 1-2 Werktage, brauchte er dann so ca. 2-4 Werktage. Z.B. wurde an einem der Brückentage für 4 Std. gestreikt und zusammen mit dem Brückentag kostete das unter dem Strich gleich mal ein paar Tage Laufzeit bei den Briefen.
Nun wird ja seit ca. 2 Wochen unbefristet gestreikt und seitdem liegt hier der gesamte Verkehr komplett brach. Briefe dauern Wochen, Pakete gibt es aktuell so gut wie gar nicht. Lt. Angaben der dt. Post, welche alle paar Tage über die regionale Tageszeitung verbreitet werden haben wir bei den Briefen aktuell eine Quote zwischen 0-20% des Gesamtvolumens, welche bearbeitet werden. Bei den Paketen sind es nur 0-10%..... (Zahlen beziehen sich auf mein örtliches Briefzentrum und können anderswo unterschiedlich ausfallen).....die Lager der Post waren nach nur 2-3 Tagen voll und man hat dann bei ehemaligen mittlerweile insolventen Firmen aus der Porzellanbranche Hallen zur Lagerung angemietet. Auch diese haben sich schneller gefüllt als man es für möglich halten will...... eine Bekannte von mir arbeitet im Versand eines Unternehmens mit relativ hohem Postaufkommen, da meinte der LKW-Fahrer der Post diese Woche in etwa: "Ob er einige der Paketwägen in der Firma lassen könnte, sein Lastwagen ist voll und er wisse auch nicht mehr wo hin damit. Manche Pakete fährt er hier schon die ganze Woche spazieren und konnte sie nicht zwischenlagern."
Aussagen wie die folgende (getätigt heute in einer Statusaktualisierung von einem Forummitglied) kann man sich daher auch getrost sparen, da sie einfach völlig sinnfrei und unqualifiziert sind und mich als extrem betroffenen auch etwas wütend machen.
"ich bin mir zur Zeit auch nicht sicher ob es wirklich am "streik" liegt, oder die Leute dies als Ausrede nutzen und einfach ihre Ärsche nicht zum Kasten bekommen..."
Wer nicht direkt betroffen ist, der hatte dann noch Glück und sollte das zu schätzen wissen, dennoch bekommt man eben nicht alle seine Sendungen sofort, denn ein Prozess bei der Briefabwicklung kann ungefähr folgendermaßen zusammengefasst werden.
- Absender (VK) packt Karten ein, frankiert und wirft z.B. in den Briefkasten ein
- Mit der nächsten Leerung (i.d.R. am selben Tag abends oder am nächsten Tag morgens) geht der Brief ins lokale Briefzentrum (Einlieferungszentrum)
- Dort wird sortiert und es erfolgt der Transport ins Ziel-Briefzentrum
- Erneute Sortierung, Weitertransport zur Zustellbasis/Unterverteilzentrum
- Zustellungen durch den Postboten.
Wenn jetzt jemand eben nicht betroffen ist, so werden seine Briefe zwar eingeliefert, bleiben dann aber spät. im Ziel-Briefzentrum hängen sobald der Empfänger betroffen ist. Umgedreht kann er einen Teil seiner Briefe innerhalb der gewohnten 1-3 Werktage empfangen (VK + K nicht betroffen) oder eben er bekommt die Sendungen nur verspätet (VK betroffen, Brief liegt in diesem Fall im Einlieferungszentrum/Lagerhalle)..... hoffe mal, dies ist halbwegs verständlich geschildert.
Und natürlich werden die Sendungen, welche eingelagert wurden nicht in der Reihenfolge der Einlagerung abgearbeitet, sondern nach dem Prinzip "zuletzt eingelagert - zuerst abgearbeitet".... d.h. hat man Pech warten einige seiner Sendungen in einer Lagerhalle ganz hinten, wo sie vor knapp 2 Wochen abgestellt wurden und diese werden dann wohl auch nach dem Ende des Streiks (welcher noch nicht in Sicht ist) noch mehrere Wochen auf sich warten lassen.
Bei Auslandssendungen macht es einen Riesenunterschied, ob man diese als "Priority" gekennzeichnet hat oder nicht: Bei Nicht-Kennzeichnung kann man aktuell eher mit 1-2 Monaten Laufzeit rechnen, bei Kennzeichnung werden diese separat zu der normalen innerdeutschen Briefpost bearbeitet und kommen noch relativ zügig innerhalb von 5-7 Werktagen an. Aktuell warte ich auch auf einige Dutzend Briefe, die einzigen die in den letzten 2 Wochen ankamen, waren 2 Österreicher, 1 Niederländer und 1 Kroate, und genau NULL aus Deutschland.
Ansonsten ist noch erwähnenswert, dass eine weitere Gewerkschaft (die DPVKOM), welche ebenfalls teilweise Mitarbeiter bei der Post hat nun auch in einer Urabstimmung sich für einen Streik ausgesprochen hat und sich dem laufenden Streik anschließen wird, daher wird es aktuell eher noch schlimmer als besser und das Ende ist gerade nicht in Sicht.
Wünsche allen Streikgeplagten viel Geduld und ein entspanntes Gemüt, ändern kann man es eh nicht.
Bearbeitet von Islay-Fan, 21. Juni 2015 - 21:40.