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Black No.1: Summer of 96

Geschrieben von jjrotzo, in History, mehr Casual 27. August 2016 · 4.779 Aufrufe

Kurz vor Herbstanfang gibt die Sonne über Deutschland jetzt nochmal Gas. Aber wenn wir ehrlich sind, das war nix dieses Jahr mit dem Sommer. Bescheidenes Wetter, Beschiss bei Olympia, Bud Spencer (✝) verteilt keine Backpfeifen mehr. Die einzigen, die ihre Hände hoch gerissen haben, waren Jerome und Schweini.

 

Dann doch lieber einen richtig brutalen Sommer...

 

den legendären BLACK SUMMER!

 

Genau zwei Jahrzehnte ist es her, dass das Böse Magic heimsuchte.

 

 

Heute betätige ich mich auch mal als Time Bandit und öffne ein Zeitloch ins Jahr 1996. Standard (oder "Type 2" in der Sprache der Altvorderen) steckt gerade in den Kinderschuhen. Bis vor kurzem war jeder Magier verpflichtet, mindestens 5 Karten aus jeder Expansion in sein Deck einzubauen. Ja, auch aus Homelands. Das ist zum Glück vorbei. Endlich freies Wahlrecht. Und jetzt hat der hohe Rat der DCI den alten Type 2-Tyrannen Matt gesetzt: Black Vise wurde restricted. Doch mit dem Verschwinden des brutalen Card Draw-Unterdrückers wurde gleichzeitig ein noch gewaltigeres Übel von seinen Ketten befreit. Wussten diese Narren denn nicht, dass sie damit die Welt dem Tod ausgeliefert haben...

 

Eingefügtes Bild

 

Vielleicht durchstreift noch der ein oder andere Dinosaurier dieses Forum, der aus erster Hand von der Nekropotenz und dem von ihr verursachten Black Summer of 96 berichten kann. Dem Sommer nach Einbruch der Eiszeit, in dem die Schwarzen Wanderer alle anderen Farben unterjochte. So ähnlich wie bei Game of Thrones. Ich war noch ein paar Jahre zu jung, um davon aus erster Hand erzählen zu können. Im Sommer 96 kam ich gerade erst in die dritte Klasse und statt Magic hießen meine Lieblingskarten Supertrumpf und Mau Mau. Aber hey, auch Bryan Adams hat mit "Summer of 69" einen Hit gelandet, obwohl er 1969 erst 9 Jahre alt war und ich ihm nicht abnehme, dass er selbst in diesem Alter seine erste Gitarre gekauft, eine Band gegründet und sich zum ersten Mal verliebt hat. Das hat ihm wohl jemand anderes aufgeschrieben und er hat es dann nachgesungen.

 

Genau so habe ich es jetzt auch vor. Ich will Black Summer Magic von 1996 nacherleben. Dafür habe ich mir die alten Karten besorgt, um Decks von vor 20 Jahren nachzubauen (nach dem Vorbild von Oldschool 93/94, nur dass ich keine Organe verkaufen muss). Ich habe mich auf der Suche nach heißen Quellen durch das Internet gewühlt und alte Artikel und Decklisten von 1996 ausgegraben, um den Mythos Black Summer zu ergründen. Ist Necropotence tatsächlich so ein Monster oder klingen die alten Geschichten nur deshalb so übertrieben, weil die überlieferten Decks von damals alle mit irgendwelchem Bullshit zugemüllt waren? Lässt sich mit 2016er Deckbau-Skills das Necro-Format vielleicht 20 Jahre später umkrempeln?

 

Damit der Blog hier nicht zum Roman ausartet, habe ich mir folgende Trilogie überlegt:

 

Black No. 1: An Unexpected Journey Summer of 96
Bevor wir uns in die Details stürzen, werfen wir einen allgemeinen Blick auf das Standard-Format von vor 20 Jahren.

 

Black No. 2: The Dark Knight Necro Weshalb Warum
Da schauen wir uns den Bogeyman mal ganz genau an.

 

Black No. 3: The Good, the Bad & the Ugly Come on Baby Light my Fire
In einem Format mit Lightning Bolt und Swords to Plowshares muss man doch auch noch irgendwas anderes spielen können als monoschwarz.

 

Und da jede erfolgreiche Trilogie hat heute mindestens vier Teile hat...
Black No. 4: A New Hope Mutter der Mann mit den Cards ist da
Wenn alle Decks gebaut und eingesleeved sind, starte ich zum Abschluss den (Battle)Feldversuch.

 

Los gehts also mit dem Überblick über

 

STANDARD IM SOMMER 1996

 

Wie bereits erwähnt befinden wir uns in den frühesten Tag von Standard (Type 2) und folgende Sets waren beteiligt:

 

Fallen Empires
4th Edition
Ice Age
Chronicles
Homelands
Alliances

 

Kurze Bilanz: Zwei Totalausfälle mit Homelands und Fallen Empires. Die nach den schlechten Erfahrungen mit dem Powerlevel von Alpha/Beta/Unlimited und Revised ordentlich generfte 4th Edition mit der (bei Sammlern verhassten) Chronicles-Erweiterung. Dazu der seltsame Ice Age-Block. Sieht erstmal wenig beeindruckend aus. Wizards haben Standard wohl auch deshalb als eigenes Format etabliert, um die Leute vom Kauf der neuen Sch**ßkarten zu überzeugen.

 

Aber einige Karten ragen doch aus diesem großen Craphaufen heraus. Manche soweit, dass sie komplett verboten (banned) wurden. Weniger krasse Exemplare hatte Wizards auf eine Kopie statt vier pro Deck beschränkt (restricted, wie man es heute nur noch im Vintage kennt). Das führt allerdings zu einer enorm zufallsabhängigen Spielerei, weil man mit den stärksten Karten weder verlässlich rechnen kann, noch kann man sie gefahrlos ignorieren. zur Verbotsliste gehörten auch die "Ante"-Karten. Ante ist eine Mechanik, bei der man um Einsatz spielt und ein Epic Fail, weil sie Magic zu einem Glücksspiel macht.

 

Verbotene Karten:
Channel (generell broken, u.a. wegen Combo mit Fireball)
Mind Twist (generell zu stark, insbesondere mit Beschleunigung durch Dark Ritual und Mana Vault)
und alles mit Ante: Amulet of Quoz, Bronze Tablet, Jeweled Bird, Rebirth, Tempest Efreet, Timmerian Fiends

 

Begrenzt auf eine Karte im Deck:
Balance (vom Powerlevel nicht ganz ausbalanciert)
Black Vise (in so einem langsamen Format der Tod für Control Decks)
Ivory Tower (in so einem langsamen Format der Tod für Aggro Decks)
Land Tax (selbst wenn ich 11 von 15 Ländern End of Turn wieder abwerfe, bin ich nie wieder screwed und topdecke wie ein König)
Zuran Orb (schaut euch einfach nochmal die beiden Karten obendrüber an)

 

Jetzt wisst ihr also, welche Karten keine oder nur eine kleine Rolle spielen durften. Interessanter ist aber, welche Karten eigentlich dieses Format prägen und welche Rahmenbedingungen sich daraus ergaben:

 

1.) Kreaturen: Kreaturen sind allgemein eher schwach auf der Brust. Viele okaye Weenies für ein bis zwei Mana, aber wenige eindrucksvolle Treter für drei, vier oder mehr. Und Kategorie "eindrucksvoll" bedeutet hier nicht Baneslayer Angel oder Siege Rhino, sondern einfach nur Serra Angel und Erhnam Djinn.

 

2.) Kreaturen-Removal: Allerdings lohnt es sich auch kaum, viel in eine Kreatur zu investieren. Die fällt am Ende eh nur den Massen an exzellentem Removal zum Opfer. Abgeräumt wird sowohl mit dem Blick fürs große Ganze (Wrath of God, Nevinyrral's Disk) als auch chirurgisch präzise (Swords to Plowshares, Lightning Bolt, Drain Life & many more).

 

3.) "Hop oder Top"-Hate: Zum Umspielen des starken Spotremovals kommt den vielen Kreaturen mit "Schutz vor xy" (hauptsächlich schwarz und weiß) eine besondere Bedeutung zu (Order of the White Shield, White Knight, Black Knight, Knight of Stromgald, Ihsan's Shade, Repentant Blacksmith, ...). Darüber hinaus existieren brutale Colorhoser, die gegen den passenden Gegner das Spiel alleine entscheiden können (Dystopia, Karma, Tsunami, Anarchy, Circle of Protection: Red, ...)

 

4.) Manabase: Das Ausweichen auf mehrfarbige Decks ist trotzdem nur bedingt zu empfehlen. Zum einen werden bunte Manabases wegen der alternativlosen Painlands und City of Brass schnell sehr schmerzhaft. Aber noch viel mehr tun einem dann die bis zu vier Strip Mine weh, die fast jedes Deck ins Feld führt. (Strip Mine wurde erst im Herbst 1996 restricted). Zusätzlich verfügt jede Farbe außer blau über mindestens einen Landzerstörer im Drei-Mana-Slot, um die Ressourcen des Gegners noch mehr in Schutt und Asche zu legen. Und als wäre das noch nicht genug, ist Armageddon auch noch mit am Start. Somit empfiehlt es sich selbst für Aggrodecks mit niedriger Kurve 23-25 Länder zu spielen. Guter Ramp ist prinzipiell vorhanden (Birds of Paradise, Mana Vault, Dark Ritual, Orcish Lumberjack, ...), aber es lohnt sich kaum sein Deck darauf auszurichten (siehe Punkt 1).

 

5.) Utility-Lands: Damit man durch die vielen Länder nicht ständig vor sich hin floodet, lohnt sich neben und trotz Strip Mine der Blick auf einige andere Utility-Länder. Die Thawing Glaciers sind zwar ultra langsam, aber begraben den Gegner in lange andauernden Spielen unter einer Kartenvorteil-Lawine (so ähnlich wie Land Tax, nuuur viiieeel laaangsaaaaameeeer). Mishra's Factory hingegen haut den Gegner einfach, effektiv und einigermaßen zügig um. Kjeldoran Outpost kann mit ausreichender Produktionsdauer einen tödlichen Output an Soldaten-Spielsteinen generieren, was besonders effektiv in einem blau-weißen Control Deck oder einem White Weenie mit Crusade funktioniert. Allerdings hatte der Außenposten seine größten Auftritte erst nach der Restriction von Strip Mine und war im Sommer 96 eher noch ein Risiko für die eigene Manabase. Aus dem gleichen Grund ist auch der im Modern so starke Urzatron im 1996 Standard quasi unspielbar.

 

6.) Control: Apropos Control Decks. Blau fällt im Vergleich zu den anderen Farben ein bisschen aus der Reihe. Es gibt kein gutes Removal, keine Landzerstörer und kaum spielbare Kreaturen. Dafür mit Counterspell, Force of Will, Power Sink, Brainstorm und Portent ein Counter-Cantrip-Paket, bei dem so mancher Modernspieler neidisch wird. Das eigentliche Gewinnen vereinfacht sich damit quasi zur Nebensache. Den Job erledigt im Zweifelsfall sogar ein Mühlstein. Oder man langweilt den Gegner im Stasis-Lock zu Tode.

 

7.) Artefakte: Für den Kampf gegen Protection und Land Destruction haben sich viele einfarbige Deck mit nützlichen Artefakten gewappnet. Fellwar Stone schützt vor Screw durch Tagebau. Aeolipile, Serrated Arrows und Nevinyrral's Disk bieten effektives Point & Mass Removal gegen geschützte Ritter, Schmiede und Derwische. Icy Manipulator simuliert je nach Bedarf entweder einen Master Decoy oder einen Rishadan Port. In Kombination mit Winter Orb sperrt er den Gegner in ein frostiges Gefängnis. Entweder friert er das einzige ungetappte Land ein oder schaltet im Endsegment des Gegners den Orb ab, damit man selbst wieder alles enttappen kann.

 

8.) Artefakt- und Verzauberungshate: Gegen Artefakte und Verzauberungen sollte man also auch irgendein Mittel einpacken. Leider gibt es diese Effekte noch nicht auf dem Rücken von Kreaturen a la Reclamation Sage. Deshalb finden sich im Zweifelsfall oft schon mehrere Disenchant oder Shatter im Maindeck. Quasi jedes Deck in den passenden Farben spielt die restricteten Karten als random Goodstuff. Mehr lohnende Shatter-Ziele.

 

10.) Combo: Das Format ermöglicht einige Combos, wobei mehrere durch die Restrictions generft wurden, z.B. Land Tax und Land's Edge / Zuran Orb / Ivory Tower. Die meisten Kombinationen stellen allerdings keinen direkten Kill da. die bereits erwähnten Softlocks mit Winter Orb und Stasis kommen dem noch am nächsten. Schwarz hat mit Necropotence und Drain Life eine Card Draw-Combo. Mit Demonic Consultation und Lim-Dûl's Vault sind zwei ausgezeichnete Tutoren auch (blau)schwarz. Reanimator Spells sind prinzipiell vorhanden, aber es gibt keine tollen Fatties. Rot-grün kann durch Howling Mine und Stormbind den Gegner in mehreren Runden umbrennen.

 

Zusammengefasst muss man sagen, dieses Format ist das genaue Gegenteil des Standards von heute. Alles lässt sich viel einfacher kaputtmachen als aufbauen. Eine einzige Abnutzungsschlacht. Die Überlebenschance einer Kreatur gleicht der eines Landsers vor Verdun 1916. Wie im Stellungkrieg nimmt man sich solange gegenseitig alles weg, bis nur noch eine Mondlandschaft übrig bleibt. Aber für jeden Angriff gibt es auch eine passende Verteidigung oder Gegenattacke. Das Stein-Schere-Papier-Prinzip macht sich deutlich bermerkbar. Aufgrund des niedrigen Spieltempos hat man in Regel auch die Zeit sich auf viele Bedrohungen entsprechend vorzubereiten. Meistens verliert dann derjenige, dem zuerst irgendwann die Puste ausgeht. Da erkennt man dann auch schon ein Erfolgsgeheimnis von Necro: Mit der Kombi aus Necropotence und Lifegain hat man einen seeeehr langen Atem. Den Rest zeige ich euch dann beim nächstem Mal.

 

 

I got my first Necropotence
Bought it at the X-Comics
Played it 'til my fingers bled
Was the summer of 96

 

Me and some guys from school
Had some decks and we tried real hard
Thorti quit, Kevin got married
Should've known we'd never get far

 

Oh, when I look back now
Black summer seemed to last forever
And if I had Drain Life
I'd still be drawing extra cards there
Those were the best plays on low life

 

Oh, yeah
In the black summer of 96






Wirklich coole Idee, bin gespannt auf die nächsten Blogs und auf den finalen Test :)
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29. Aug 2016 08:39

Sehr schöner Bericht. Hätte dann gerne beim nächsten DWW die Live Performance von "Black Summer Of '96".

Kann es leider auf die schnelle nicht ergoogeln, aber afaik gab es für Standard noch die Regel, dass das Deck eine bestimmte Anzahl an Karten eines jeden Blocks enthalten musste. Das erklärt dann die hohe Anzahl an Serrated Arrows in den Decks, obwohl wesentlich besseres Removal zu der Zeit verfügbar war.

 

Ansonsten ein netter Read. Früher war alles besser ;)

 

€dit: hab wenigstens nen Forenpost gefunden http://www.mtgsalvat...story-of-type-2

@Die Assel:

Das Necrodeck ist schon fertig, die Opfer Herausforderer noch under Construction. Wenn alles fertig ist, können wir gerne ne Live Perfomance machen. :D (brauche ja auch Mitspieler)

 

@Asel:

Die seltsame Regel mit mindestens 5 Karten aus jedem Set wurde (soweit ich das gelesen habe) nur für die allererste Pro Tour im Februar 1996 eingeführt und danach wieder abgeschafft.

The first Pro Tour used a very untraditional format. You see, an important part of the Pro Tour is marketing. And we wanted to show off the latest set. But the most recent expansion was Magic's all-time design low, Homelands. How can you ensure that Homelands cards show up in the winning Pro Tour deck when very few Homelands cards were showing up in tournaments? Just force every deck to play at least five of them. And then require at least five more cards from every other legal expansion; you know to make it seem a little less obvious.

Quelle: On Tour, Part 1 (Wizards-Archiv)

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30. Aug 2016 07:33

Bin ich sofort dabei :D

Mag solche Artikel. Auch die Hintergründe decken sich mit meinen Erinnerungen und Erfahrungen. Habe SuiBlack als auch WW gespielt, wenn auch nicht kompetitiv.

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