"Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!"
Da stehe ich nun. Abgestiegen. Joa, ich hab meine Karten noch. Aber ich sehe beim besten Willen keinen Grund, warum ich sie nochmal zusammenmischen soll. Als alter Legacy-Fan muss ich leider sagen, dieses Pferd ist tot. Zumindest für mich.
Dabei bin ich kein Modern-Bekehrter oder Reserved List-Hasser. Im Gegenteil, Legacy hatte immer einen besonderen Platz in meinem Herzen. Trotz Modern und teuren Karten. Ich habe lange und innig Legacy gezockt. Fast so lange, wie es existiert. Wenn ich mich zurückerinnere, habe ich im Laufe von über einem Jahrzehnt eine ganze Palette unterschiedlichster Decks ins Feld geführt. Nur Canadian habe ich nie angefasst. Das war für mich wie der FC Bayern. Ich würde nie zum FC Bayern gehen.
Mono Black Suicide (aus meinem unpowered Type 1 Haufen einen Type 1.5 Haufen gezaubert)
Yin Yang (von der Mutter beschimpft worden, wie zur Hölle ich 40€ für 4 Scrublands ausgeben kann)
Rainbow TES (statt fürs Abi zu lernen, lieber wochenlang Ill-Gotten Gains Loops gegoldfisht)
Survival-Haufen (nur echt mit Vivid Grove & Reflecting Pool Manabase. Wer hat schon blaue Duals?)
Aggro Loam (halbtot nach der Bierbörse mit Mörderkater noch 4-2 in Hassloch gegangen und erst hinterher auf den Parkplatz gebröckelt)
Zoo (Woolly Thoctar war mal eine Legacy Karte, true Story)
Painter Control (jedes Spiel ein Tanz auf der Rasierklinge, wenn die eigene Combo an jedem Husten verreckt)
Dreadstill (wenn die Nerven mal nicht für Painter gereicht haben)
( ) Maverick (unendlich viele Synergien. Und mein erster Sieg beim Deck, Worscht & Woi )
Belcher (zusammengebaut und instant gelangweilt. Storm this is not. Mehr verliehen als selbst gespielt)
The Rock (nach einem Turnier direkt wieder aufgegeben zugunsten von...)
Jund (ein wunderbares Ensemble aus lauter guten Karten. Außer man spielt gegen Combo)
BUG Delver (weil ich immer noch lauter gute Karten spielen wollte, aber keine Lust mehr hatte gegen Combo einzugehen)
ANT (meine alte Liebe, aber jetzt mit richtiger Manabase und einer weniger peinlichen Storm-Engine)
Lands (allein schon um Griselbrand chumpblocken zu sehen)
Eldrazi (gebaut um weniger Denken zu müssen. Dann gemerkt, dass der Spaß leider vom Denken kommt)
Wow, was für ein tolles Format. Ganz ohne Sarkasmus. Komplexe Combat Math, komplexe Combo Math. Synergien, die wie die Zahnräder einer Schweizer Uhr perfekt ineinander greifen. Die meisten Decks auf dieser Liste habe ich geliebt. Aber kommen wir mal zum Punkt: Die meisten Decks auf dieser Liste sind mausetot. Klar, irgendjemand postet vielleicht noch auf theSource in die uralten Threads sein erfolgreiches 2-1 Ergebnis vom Turnier, wo alle anderen auch nur Haufen am Start hatten. Aber das ändert nichts daran, dass seit X Jahren die gleichen echten Decks mit solchen Haufen den Boden aufwischen: Delver (seit 7 Jahren), SneakShow (seit min. 8 Jahren), Miracles (seit 7 Jahren), Storm (seit 12 Jahren), BUG Goodstuff (seit 6 Jahren) und noch ein paar andere .... Da ändert sich fast nix. Es kommen höchstens mal ein paar hässliche Tentakel Aliens dazu.
Von Fans hört man gerne, Legacy sei das Königsformat von Magic, in dem man alle Karten aus einem Vierteljahrhundert Magic Geschichte zocken kann. Aber ist das echt so? I beg to differ! Wahrscheinlich haben im Modern mehr Karten eine reelle Spielbarkeit als im Legacy, obwohl der Pool doppelt so groß ist. Absurderweise schrumpft trotz stetig wachsendem Pool von legalen Karten die Auswahl an tatsächlich spielbaren Karten durch den steigenden Powerlevel auch noch, weil viele Neuzugänge so overpowered sind, dass sie ganze Decks an den Rand der Spielbarkeit drängen und darüber hinaus. Das Fenster für kreative (erfolgversprechende) Ideen schließt sich immer mehr. Hier und da mal eine erfolgreiche Hail Mary Combo, ein geschickter Pile of Hate oder jemand, der sich mit irgendwie doch mit Maverick durchgemogelt hat. Aber das sind dann leider eher Ausnahmen, die die Regel bestätigen.
"Faire" kompetitive Decks lassen sich mittlerweile an einer Hand abzählen. Mit fair meine ich Decks, die im Sinne von Richard Garfield pro Zug ein Land legen und Kreaturen nach rechts drehen um zu gewinnen. Delver, Death&Taxes, Deathrite Shaman Decks, das war's dann fast schon. Der Rest dieser Gattung wurde quasi aus dem Format gehatet. Von blauen Kreaturen mit Unbesiegbarkeits-Cheat und weißem Mass Removal für ein Mana.
Natürlich hat auch ein Duell auf dem Stack statt auf dem Battlefield seinen Reiz. Sich mit ANT durch eine volle Delver Hand zu pflügen ist eine echte Herausforderung und, wenn es funktioniert, ein echtes Erfolgserlebnis. Aber für ein spannendes Duell brauche ich passende Voraussetzungen: Eine gemeinsame Ebene, auf der man sich trifft, und ausgewogene Waffen. Aufgrund des extrem hohen Powerlevels ist heute leider fast alles, was es noch neu ins Format schafft
- ein overpowerter Design Fail wie die Miracle-Mechanik oder die Battle for Zendikar Eldrazis
- eine massive (und meistens ziemlich stumpfe) Einschränkung von Interaktion wie z.B. Sanctum Prelate oder Leovold, Emissary of Trest
Apropos dumm, die fettigen Überreste der "Here I rule" Jahre sind in meinen Augen auch ein Krebsgeschwür für die Eternalformate:
Aber das ist nur meine persönliche Meinung und bevor ich jetzt noch darüber aufrege, hör ich lieber auf. Ob, wann und wie die Reserved List das Format irgendwann versenkt, davon will ich gar nicht erst anfangen. Es wird spät.
Eigentlich wollte ich eben nur kurz auf Hasran Ogress' Frage "Was ist dein Lieblingsformat?" antworten. Irgendwie wurde der Post dann aber immer länger und drehte sich stattdessen immer mehr um die Frage "Wieso ist es nicht mehr mein Lieblingsformat?". Deshalb verabschiede ich mich lieber hier in meinem Blog von meinem früheren Steckenpferd. Wenn euch Legacy weiterhin Freude macht, lasst euch den Spaß nicht verderben. Vielleicht packt mich ja auch irgendwann wieder das Brainstorm Fieber. Vielleicht habt ihr ja auch ein paar gute Argumente, warum Legacy im Jahr 2018 besser ist als ich es hier beschrieben habe. Würde mich freuen, sie zu hören.
- King Suleiman, Macros, Sackbert und 7 andere haben sich bedankt
Ich denke es kommt stark darauf an wo man mit welchen Anspruechen spielt.
Legacy ist im Kern einfach ein Casualformat und der Spaß stark von der Spielerschaft und der Ernsthaftigkeit, mit welcher sie das Format angehen, abhängig. Denke das ist in Modern aber auch nicht anders. Wenn man auf großen Turnieren konstant gewinnen will, muss es schon das Deck mit 4 Ponder 4 Brainstorm (oder man selbst ein ziemlich krasser Stecher) sein; völlig egal was man sonst noch in der Shell so unterbringt. Dass das auf Dauer nerven kann verstehe ich einerseits, andererseits ist ein Format fuer mich persönlich dann interessant, wenn die Spiele eine gewisse Komplexität aufweisen, skilltesting sind und interaktiv entschieden werden. Ob das dann einfach seit 10 Jahren die gleichen/ähnlichen Decks sind die da gespielt werden ist mir dann im Prinzip relativ egal.
Ich trinke aber auch schon seit ich ein Baby bin den gleichen Kräutertee (damals natuerlich weniger stark dosiert) und werde nicht ueberdruessig...