Die Psychologie bei Magic Teil 2 – Achte auf dich selbst
Beim letzten Mal habe ich darüber geschrieben, wie wichtig es ist den Gegenüber im Auge zu behalten. Was dabei ein wenig in den Hintergrund gerückt ist, welche Rolle man selbst während des Spiels einnimmt. Heute werde ich daher etwas auf unsere Emotionen, unser Erscheinungsbild und unsere Erwartungen eingehen.
Emotionen sind ein wichtiger Teil von Magic.
Oftmals entscheiden wenige Momente „emotionaler Instabilität“ über Sieg oder Niederlage in einem Spiel. Gerade Anfänger unterschätzen ihre eigene Wirkung auf den Gegner, wenn sie eine gute Karte gezogen haben. Dann ist die Freude so groß, dass sie erleichtert aufatmen oder die Enttäuschung bestimmt ihre Körperhaltung. Mit diesen Informationen kann der Gegner dann arbeiten und euch lesen. Achtet daher auf eure Mimik und Gestik.
Auch Fortgeschrittene machen Fehler, wenn der Stresslevel steigt oder irgendwas sich zu ihren Ungunsten entwickelt.
Ich hasse zum Beispiel „Slow Play“. Egal ob es nun ein Einsteiger ist oder jemand, der es eigentlich besser wissen müsste. Extrem langsames Spielen bringt mich innerlich regelmäßig aus dem Konzept. Dann mache ich auch Spielfehler. Und das, obwohl ich mir dessen bewusst bin und mich andere Sachen (Quatschen vom Gegner, Körpergeruch, Karten in der Hand dauernd mischen) komplett kalt lassen. Das letzte Mal ist es mir passiert, als ich gegen ein Combo-Deck ein Spiel hinten lag. Mein Gegenüber war zwar nett, aber hat so langsam gespielt, dass ich selbst mit einem Sieg nur noch in das Unentschieden kam und ich ihn zwei Mal ermahnen musste. Dadurch habe ich dann auch zwei entscheidende Spielfehler gemacht. Aber ich bekomme es langsam immer mehr in den Griff. Ein Trick hilft dabei ungemein. Atmet durch die Nase ein und durch den Mund langsam aus. Dadurch senkt sich der Herzschlag und man wird merklich ruhig und kann sich somit wieder auf sein Spiel konzentrieren.
Hilfreich ist es auch sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren.
Was mache ich hier? Was passiert gerade? Und wie verhalte ich mich? Reflektiert euer Handeln und eure Gefühle. Ihr seid sauer, dass euer Gegenüber so lange braucht? Oder habt Sorge, dass ihr das Spiel nicht mehr drehen könnt? Akzeptiert die Gefühle und leitet daraus euer Handeln ab. Ermahnt den Gegenüber höflich aber bestimmt zu einem schnelleren Spiel. Geht im Kopf euer Deck durch, welche Karte euch helfen könnte. Und vor allem gibt nicht dem Gegner allein die Schuld an der Situation. Der oder die kann nämlich nichts dafür, dass ihr nur Länder nachzieht oder kein Druck auf den Tisch bekommt. Er spielt sein Spiel und ihr euer. Ihr seid für euer Handeln selbst verantwortlich.
Selbst beim Slow Play habt ihr es in der Hand. Weist ihn freundlich darauf hin. Eventuell merkt er nicht einmal, dass er unverhältnismäßig langsam spielt. Ändert er sein Spiel nicht, dann sagt es ihm nochmal, aber bestimmter. Spätestens beim dritten Mal führt dann der Gang zum Judge. So gibt es evtl. die verlorene Zeit zurück. Bleibt dabei auch höflich und informiert den Gegenüber in Form von einer "Ich-Botschaft", dass ihr jetzt den Judge rufen werdet. Ein guter Satz ist z.B.: "Leider ist die Situation für mich noch nicht gelöst. Ich werde daher jetzt den Judge rufen." Diese Form der Kommunikation ist wesentlich angenehmer für euch und für den Gegner, als ein genervtes Stönen und der Schrei "JUDGE". Leider kommt diese Art auf Turnieren öfter vor, als es angenehm ist. Macht man allerdings nichts, dann spielt der Gegner das Game langsam runter und ihr verliert eventuell das Match.
Je eher man erkennt wo das Problem wirklich liegt, umso höher steigt die Wahrscheinlichkeit das Spiel noch zu drehen. Herz der Karten, die Macht usw.
Eine weitere Methode, welche ich mir vor Jahren angeeignet habe ist die „zentrale Atmung“.
Diese Methode ist besonders nützlich, wenn man ein Spiel verloren hat. Sie hilft sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren und das letzte Spiel abzuhacken. Dadurch verhindert man, dass die Emotionen überhand nehmen und man im nächsten Spiel noch mehr Fehler macht.
Dafür geht ihr an die frische Luft oder zu einer ruhigen Ecke. Schließt die Augen und atmet tief durch. Ich gehe immer noch kurz die positiven Aspekte des Spiels durch und konzentriere mich auf meinen Herzschlag. Dann atme ich noch ein bis zweimal durch und weiter geht es. Für negative Gedanken ist dann kein Platz.
Ein wichtiger Punkt ist unser Erscheinungsbild und unser Verhalten.
Ich hatte letzte Mal etwas über den Halo-Effekt geschrieben. Genau diesen nutzen wir nun, um unsere Mitspieler zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Der erste Eindruck und unser generelles Verhalten ist ein wichtiger Faktor. Wie wir gesehen werden, verändert die Einstellung von Spielern zu uns. Als ich das erste Mal, nach langer Pause wieder in einen Magic-Store ging, dachten einige Spieler (Originalzitat) „dass ich da wäre um sie zu verarschen“. Ich passte einfach nicht in ihr Bild des (in ihren Augen) typischen Magicspielers. Was ich aber erst wusste, nachdem es mir einige später erzählt haben.
Das Bild änderte sich dann, als ich vor und während des Spiels über Magic "philosophierte", und mich offen und freundlich gab. Ihre Haltung mir gegenüber war viel offener und die Spielatmosphäre viel angenehmer. Dadurch änderte sich auch ihre Spielweise.
Man kann natürlich auch dem Gegenüber ein falsches Bild von einem Selbst vermitteln.
Will man unterschätzt werden, so kann es zum Beispiel nützlich sein Kartennamen falsch auszusprechen, scheinbar Züge etwas zu verpeilen oder einen Tick zu lange nachzudenken. Das, und der Satz „ich bin noch recht neu mit dem Deck“, kann dazu führen, dass euch der Gegenüber unterschätzt bzw. euch mehr Spielraum bei Fehlern und Zügen zugesteht.
Genauso kann ein selbstsicheres Auftreten dazu führen, dass der andere Spieler mehr Fehler macht als sonst. Es liegt an euch, was für euch besser ist, was ihr glaubwürdiger rüber bringt und was ihr ausstrahlen wollt. Bleibt dabei aber immer so authentisch wie möglich. Es bringt nichts, wenn ihr so tut als würdet ihr der große Meister sein, wenn ihr in Wahrheit relativ wenig Erfahrung habt. Im besten Fall wird es peinlich für euch. Im schlimmsten Fall gibt es Warnings bzw. ihr verliert das Spiel.
Beim letzten Punkt dreht sich alles um Erwartungen.
Wollt ihr das Turnier gewinnen? Oder nur Erfahrungen sammeln? Wollt ihr Spaß haben oder einfach allen zeigen wer den dicksten Thragtusk hat?
Egal was es ist. Passt eure Erwartungen an die Wirklichkeit an. Es ist einfach sich klar zu machen, dass man zwar in seiner Runde der dickste Fisch ist, aber auf Turnierebene von den Haien aufgefressen wird, wenn man unachtsam ist. So wird man am Ende auch nicht enttäuscht. Wer den Turniersieg anstrebt und die ersten zwei Runden verliert, der sollte sein Ziel noch einmal korrigieren. Sonst steigt schnell der Frust und man gewinnt nicht eine Runde mehr.
Auch sollte man seine Erwartungen nicht mit denen der Anderen vergleichen oder gar erwarten, dass sie die gleichen Erwartungen haben. Nur weil ich an einem Turnier einfach aus Spaß teilnehme, kann mein Gegenüber auch ein kleines Turnier durchaus bierernst nehmen. Das muss ich dann auch akzeptieren, da sonst sein Frust schnell zu unserem Frust werden kann.
Egal was kommt, am Ende zählt vor allem eine Sache: Behaltet die Ruhe und habt keine Furcht eure Emotionen zu erforschen. Denn wie Meister Yoda schon gesagt hat: „Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.“ Bzw. in unserem Fall führt Wut zur Unkonzentriertheit, Unkonzentriertheit zu Spielfehlern und Spielfehler zu unsäglichem Versagen.
Die wichtigsten Informationen kurz zusammengefasst:
- Achtet auf euer "Pokerface". Damit gebt ihr dem Gegner weniger Informationen über euch.
- Reflektiert euch und euer Handeln. Damit vermeidet ihr Fehler.
- Konzentriert euch auf euer Spiel. Je weniger man sich durch äußere Einflüsse ablenken lässt, um so besser spielt man.
- Achtet auf den "Halo-Effekt". Und bleibt dabei so authentisch wie möglich.
- "Ich-Sätze" sind der Schlüssel einer guten Kommunikation.
- Nutzt Pausen um das letzte Match zu verarbeiten und möglichst frei das nächste Spiel anzugehen.
- Setzt euch realistische Ziele und seit euch bewusst, dass andere Personen andere Erwartungen haben können.
Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal.
"Will man unterschätzt werden, so kann es zum Beispiel nützlich sein Kartennamen falsch auszusprechen, scheinbar Züge etwas zu verpeilen oder einen Tick zu lange nachzudenken."
Achtet darauf, dass das authentisch ist. Wenn ihr so aktiv seid, dass ihr quasi zum Inventar eures Stores gehört, dann macht ihr euch mit so einer Nummer eher lächerlich. Natürlich sollte man, soweit möglich, seine Außenwirkung kontrollieren. Aber fehlende Kontrolle ist immer noch besser als fehlende Authentizität. Wer offensichtlich schauspielert, ist noch viel einfacher zu lesen als jemand, der nicht groß darüber nachdenkt, wie er wirkt.
Um mal den Bogen zu deinem letzten Blogeintrag zu schlagen: Man kann beim Thema Außenwirkung den Spieß auch umdrehen. Wenn ich meine Optionen (bzgl. meiner Handkarten) ganz genau kenne (egal, wie gut sie sind), lege ich gerne meine Handkarten verdeckt vor mir auf den Tisch und beobachte den Gegner ganz genau. Ich schau ihm ins Gesicht und auf die Finger. Selbst, wenn der Gegner nur in seine Handkarten vertieft ist, könnt ihr da einiges ablesen. Wie verändern sich Mimik, Gestik und Sprache in Bezug auf seine Handkarten? So etwas entscheidet immer wieder Spiele, wenn man es vorsichtig zu nutzen weiß. Toll ist, wenn der Gegner merkt, dass er ganz genau beobachtet wird. Der macht sich dann nämlich plötzlich ganz bewusst Gedanken über seine Außenwirkung, das frisst mentale Ressourcen - und das kann Spiele entscheiden. Natürlich sollte man bei Reads immer vorsichtig sein, weil ein falscher Read gefährlicher ist, als den Gegner gar nicht zu lesen. Aber wer die Grundlagen des Formats bereits beherrscht, sollte sich auf jeden Fall auch mit diesem Aspekt des Spiels befasen.
Das Selbstkonzept, das man als Spieler mitbringt, ist übrigens auch total wichtig. Wenn ihr noch neu in der Turnierlandschaft seid, denkt immer daran, dass euer Gegner auch nur mit Wasser kocht. Er hat keine magische Aura, durch die seine Karten besser werden. Selbst, wenn ihr dem krassesten Pro gegenübersitzt, spielt der nach den selben Regeln wie ihr. Und das heißt, dass ihr potentiell jeden schlagen könnt. Egal, ob ihr nun gegen den Sorcery-Thorsten oder gegen die Fusion aus Jon Finkel, Kai Budde und Paulo Vitor Damo da Rosa gepaired werdet.