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Sechzig plus Fünfzehn ergibt Fünfundsiebzig

Geschrieben von Double the Trouble, 14. April 2017 · 2.564 Aufrufe

Welchen sinnvolleren Titel könnte man einem Blog mit dem Thema Sideboard geben?

 

Im Gegensatz zu vielen anderen hervorragenden Artikeln rund um das Thema Sideboard möchte ich herauskristallisieren, was das Sideboard nicht ist, bzw. warum nicht jede gute Karte einen 4-of Slam Dunk im Sideboard ergeben muss.
Ich referenziere dazu ausschließlich das Modern-Format, da ich nichts anderes spiele. Im Laufe der 4 Jahre die ich nun das Format spiele hat sich mein Verständnis für Decks und insbesondere das Sideboarding gewandelt.
Nicht nur Modern-Metas, auch Decks sind gekommen und wieder verschwunden. Mit der oft hervorgehobenen Diversität des Formats gestaltet sich der Entwurf eines umfassenden Sideboards schwierig. Zum einen gilt es Schwächen des Decks abzudecken, zum anderen breit genug aufgestellt zu sein um möglichst viele der momentan gespielten Decks zu berücksichtigen.

 

Beginners Trap

 

Dieser Abschnitt richtet sich vorzugsweise an Einsteiger, Fortgeschrittene und Profi’s dürfen den Skip-Button betätigen.
Für viele Einsteiger ist nach kurzer Zeit klar welche Sideboard-Karten gut, super-gut oder einfach nur lausig sind. Die von mir beobachtete Tendenz, das Einsteiger oft zu viel Sideboarden bestätigt sich in der Spielepraxis in unregelmäßigen Abständen immer wieder.
Über den simplifizierten Denkansatz „diese Karte ist besonders gut, also benötige ich diese gleich mehrere Male“ stehen im Gegensatz dazu die Spiele, in denen diese Karte das Feld betritt und trotzdessen verloren wird. Ein sinnvoller Ansatz um aus dieser „Mind Trap“ zu gelangen ist sich das Worst-Case-Szenario gedanklich zu skizzieren.
Dieses Worst-Case-Szenario sieht derart aus, dass die spezifische Sideboard-Karte keinen (!) Einfluß auf das Spielgeschehen nimmt. Der Hintergrund für dieses Gedankenspiel ist wie folgt: Ist der Gegner in der Lage die Bedrohung auszuschalten oder zu umspielen, ist man u.U. derart weit zurückgeworfen worden, dass ein Sieg in weite Ferne gerückt ist.

 

Weisse Sideboard-Karten sind gut, daher bediene ich mich für ein Beispiel an einer weissen Karte. Spieler A ist im 2. Spiel und hat ein Stony Silence auf der Starthand, ansonsten aber keine Zerstörungszauber oder fliegende Kreaturen. Spieler B ist auf Affinity und legt einen klassischen Start hin. Mit einem Zug 2 Cranial Plating auf Ornithopter hat eine 6/2 fliegende Kreatur das Feld betreten.

 

Das Stony Silence wird nun gelegt, beseitigt allerdings nicht die Bedrohung einer 6/2 fliegenden Kreatur. Ein Zerstörungszauber oder eine fliegende Kreatur ist notwendig um die Bedrohung zu eliminieren. Leider zieht A im 3. Zug keines von beiden, sondern stattdessen ein weiteres Stony Silence. Auch dieses kann gegen eine 6/2 nichts direkt ausrichten.

 

Es ist wenig verwunderlich, dass A das Spiel (vermutlich) verlieren wird. Eine Sideboard-Karte die das Spielfeld betritt und keinen (nennenswerten) Einfluss auf das Spielgeschehen nimmt ist so gut als hätte man keine Karte für 2 Mana gespielt. Folgt dem 1. Stony dagegen ein Path to Exile auf den Ornithopter ist die Situation (in diesem speziellen Beispiel) vorteilhaft, da Plating vorerst nicht equipped werden kann.

 

Daraus ergeben sich 2 Schlüsse:
1. Die Starthand muss derart sein, dass im Worst-Case noch andere Karten in der Lage sind das Spiel zu gewinnen / die Bedrohung abzuwenden.
2. Ein „zu viel“ an Sideboard-Karten adressiert ein Problem (Artefakte mit aktivierten Fähigkeiten) und lässt ein anderes unberücksichtigt (Schwer blockbare oder auch große Kreaturen).

 

Während zahlreiche andere Situationen konstruiert werden können die den Worst-Case beschreiben dient dieser lediglicher der Einsicht, dass eine einzelne Karte den Sieg bedeuten kann, aber noch lange nicht muss.

 

Gute und weniger gute Karten – eine Evaluierung

 

Bevor das Sideboard einer kritischen Betrachtung unterworfen wird ist eine kritische Betrachtung der ersten 60 Karten wichtiger. Pickt man sich ein Matchup heraus gilt es im ersten Schritt einzuschätzen welche Karten gut und welche weniger gut gegen eine bestimmte Strategie sind.

 

Dazu hangele ich mich an den blanken Zahlen entlang. Sondiert wird welche Karten schlecht, mittelmäßig und gut sind. Dazu kommen die Karten die essentiell für die Funktion des eigenen Decks sind.

 

Eine Kategorisierung in diese Sparten fällt pauschal für alle verfügbaren Decks schwer, daher picke ich mir erneut ein denkbar einfaches Beispiel heraus. Spieler A sieht auf der anderen Seite des Tisches einen Noble Hierarch, Cavern of Souls, Eldrazi Temple und Thought-Knot Seer. Mit seinem Mana Leak hat er nun wenige Möglichkeiten zu interagieren – es bleiben Karten wie Ancient Stirrings oder auch Path to Exile die durch den Counter getroffen werden.

 

Die naheliegendste Schlussfolgerung wäre einen Teil (oder alle?) der Mana Leak herauszunehmen und stattdessen mehr Zerstörungszauber aus dem Sideboard zu spielen. Auch Boardwipes wie Supreme Verdict können Kartenvorteil erwirtschaften.

 

Kern dieser Evaluierung ist, dass man als Spieler das gegnerische Deck im 1. Spiel beobachtet, daraus Rückschlüsse auf seine eigene Strategie zieht und einen Plan entwickelt. Dazu muss man nach meinem Verständnis nicht zwingend Wissen (sondern Verstehen) was das Gegenüber spielt. Eine gedankliche Vereinfachung hilft hier enorm weiter (besonders wenn man gegen ein Deck spielt welches man nicht kennt) indem man den gegnerischen Deckplan auf wenige Stichpunkte herunter bricht. Dies könnte wie folgt lauten für das o.g. Beispiel:

 

Mein Gegner spielt ein kreaturenbasiertes aggressives Deck. Es beinhaltet Elemente eines Ramp-Decks, sortiert sich aber aufgrund seiner Vielzahl und Größe der Kreaturen im Midrange-Spektrum ein.

 

Am Ende des Matches muss bewertet werden ob und wie gut dieses Vorgehen aufgegangen ist. Wurde das Deck auf der anderen Seite richtig eingeschätzt, wurde der eigene Spielplan durch gezieltes Sideboarding weiter voran getrieben und hat dies am Ende zum Sieg oder zur Niederlage geführt? Ist Varianz Grund für das Ergebnis? Haben bestimmte Karten meine Erwartungen erfüllt oder sind diese nicht gut genug gewesen?

 

Der Hang zur Mittelmäßigkeit

 

Während man durch das oben erläuterte Schema die ersten Hürden bereits nimmt, sind und bleiben manche Karten einfach irgendwo im Bereich „Mittelmäßig“. Typischer Vertreter ist hier Collective Brutality.
Manchmal klaut diese Karte ganze Spiele, ein anderes mal kauft diese nur einen weiteren Zug, beim letzten mal sind alle 3 Modi „Dead-Ends“. Diese Kategorie von Karten machen das Sideboarden umständlich. Es gilt durch den Spieler einzuschätzen, ob andere Karten mehr Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen. Dies basiert mehr auf Erfahrung und Spielpraxis, denn blanker Theorie.

 

Ist man im Zweifel bin ich der Ansicht diese Karte(n) nicht nach dem 1. Spiel zu tauschen. Die Falle „Over-Sideboarding“ führt dazu, dass man unter Umständen den gegnerischen Spielplan vereitelt, den eigenen allerdings nicht vorantreibt. Es gilt: Den Gegner an etwas zu hindern gewinnt nicht zwangsläufig das Spiel.

 

Aus diesem Grund ist es auch wichtig Karten nach dem Kriterium zu selektieren ob diese den eigenen Spielplan vorantreiben oder einen selbst auch hindern. Es gibt vereinzelt 3-farbige Decks die in den 15-Beiseite-Karten Blood Moon spielen. Diesen greife ich erneut für ein Beispiel auf.

 

Ihr sitzt Rg Tron gegenüber und wisst das euch Blood Moon mehrere Züge kaufen kann. Leider legt ihr zuerst Blackcleave Cliffs, dann Sacred Foundry und im Anschluss ein weiteres Land für den Blood Moon.

 

Zwar habt ihr den gegnerischen Plan heruntergewirtschaftet, euren eigenen aber auch. Im 6. Zug liegt eine Wurmcoil Engine, leider habt ihr keine Plains um das Path to Exile auf eurer Hand zu wirken. Auch eure Kreaturen sind gegen einen 6/6 nicht gut positioniert – der Plan ist nicht aufgegangen und die Engine setzt euch unter gewaltigen Druck.

 

Die richtige Entscheidung in diesem Spiel ist die richtige Starthand zu halten. Kreaturen, Disruption, Removal und als i-Tüpfelchen einen Blood Moon nachlegen gibt einem beste Chancen auf einen schnellen Sieg.

 

Mehr ist immer gut

 

Das klassische „Über-Sideboarden“ ist eine Gabe die besonders Einsteigern in die Wiege gelegt wurde. Nach einem verlorenen Spiel 1 müssen in vollkommener Panik viele Karten aus dem Sideboard ins Deck wandern.

 

Einfacher und sinnvoller ist die folgenden Herangehensweise: Man atme tief ein und aus. Anschließend rekapituliert man den Verlauf des 1. Spiels. Folgende Fragen können eine grobe Orientierung sein:
· Hat mein Gegner den „Nut-Draw“ gehabt, spielt er ein Deck, welches darauf basiert den Nut-Draw zu haben und nimmt er aggressive Mulligan-Entscheidungen auf eben diesen Nut-Draw?
· Hat das 1. Spiel eine Strategie offenbart gegen die man schlecht positioniert ist? Ist es demnach notwendig viele oder nur wenige Karten aus dem Sideboard zu bringen? Ist das Halten einer starken Starthand wichtiger als das Stützen auf dedizierte Sideboard-Hatekarten?
· Inwieweit behindert man seinen eigenen Spielplan durch das Sideboarding? Ist im 2. Spiel eine signifikante Abweichung von der Deckstrategie im Gegensatz zum 1. Spiel sinnvoll?
· Erwarte ich auf der gegenüberliegenden Seite Karten die für mein eigenes Deck unbedingt zu handhaben sind? Genügen dazu situativ-gute Karten?
· Ist es sinnvoll gegen die gegnerische Strategie etwas zu unternehmen? Ist diese Strategie derart stark, dass ein umfangreiches Sideboarding unzweckmäßig erscheint? Genügt es darauf zu hoffen, dass der Gegner die gegen mich starken Karten nicht findet?

 

Schon fertig

 

Ich bin erschrocken darüber, dass es so wenig geworden ist. Das Thema wurde aber auch schon in zahlreichen anderen Artikeln erschlagen, sodass ich nicht nur sinnvoll-ergänzende Fakten dazu beitragen konnte.

 

Lasst Kommentare los, auf eine ertragreiche Debatte!






Erstmal: Danke! Intuitiv bin ich vieles ähnlich angegangen. Darum hilft dein Blogeintrag mir gerade auch sehr dabei, das ganze Thema noch einmal bewusster anzugehen. Bisher habe ich mir über die Art WIE ich zu der Entscheidung überhaupt erst komme keine Gedanken gemacht.

Allerdings würde ich dir hier teilweise widersprechen:

Ist man im Zweifel bin ich der Ansicht diese Karte(n) nicht nach dem 1. Spiel zu tauschen. Die Falle „Over-Sideboarding“ führt dazu, dass man unter Umständen den gegnerischen Spielplan vereitelt, den eigenen allerdings nicht vorantreibt. Es gilt: Den Gegner an etwas zu hindern gewinnt nicht zwangsläufig das Spiel.

Hängt das nicht auch vom Deck ab? Ich hatte anfangs ein extrem aggressives Deck. Egal was ich reingeboardet hätte, dadurch wäre das Deck langsamer geworden - und hätte nur noch eher verloren. Man konnte abgesehen von Push raus quasi nichts boarden.

In einem Controldeck stelle ich es mir hingegen sehr ziemlich unpraktisch vor, nach dem Motto "mach was du willst, ich ziehe einfach meinen Plan durch!" zu spielen.

 

Erstmal: Danke! Intuitiv bin ich vieles ähnlich angegangen. Darum hilft dein Blogeintrag mir gerade auch sehr dabei, das ganze Thema noch einmal bewusster anzugehen. Bisher habe ich mir über die Art WIE ich zu der Entscheidung überhaupt erst komme keine Gedanken gemacht.

Allerdings würde ich dir hier teilweise widersprechen:

Hängt das nicht auch vom Deck ab? Ich hatte anfangs ein extrem aggressives Deck. Egal was ich reingeboardet hätte, dadurch wäre das Deck langsamer geworden - und hätte nur noch eher verloren. Man konnte abgesehen von Push raus quasi nichts boarden.

In einem Controldeck stelle ich es mir hingegen sehr ziemlich unpraktisch vor, nach dem Motto "mach was du willst, ich ziehe einfach meinen Plan durch!" zu spielen.

Auch Kontroll-Decks verfolgen einen gezielten Plan. 

 

Es gilt diesen sinnvoll durch passende Sideboard-Karten zu ergänzen. 

Die Frage an dieser Stelle ist, inwieweit sich der Kontroll-Spieler genötigt sieht das Spiel möglichst früh "an sich zu reissen".

 

Nicht umsonst bietet bspw. UWr Kontrolle die Möglichkeit sich in ein (behäbiges) Burn-Deck zu wandeln - manchmal ist dies einfach der valide Plan, den die Situation gerade erfordert.

Finde den Artikel nicht schlecht, aber mir fehlt iwo der Punkt, dass das Sideboard hauptsächlich dazu dient schlechte Matchups auszuwerten (Kombodecks und Morphboards lassen wir mal außen vor). Wenn mein Mono W Lifegaindeck z.B. schon ein gutes Burnmatchup hat, brauche ich keine Karten mehr die das Matchup zum Overkill machen. Zweiter Punkt: Man sollte auch immer erwarten was der Gegner evtl boardet und sein Boarding entsprechend anpassen. Gegen Miracles ist Decay ne super Karte, aber wenn ich damit rechne dass mein Gegner Counterbalance rausboardet kann ich evtl auch 1-2 Exemplare rausboarden. Oder will ich mein Removal komplett cutten, obwohl kein Gegner evtl Monastery Mentor bringt? Hier geht es darum das wahrscheinlichste Boarding des Gegners zu erahnen und das eigene Boarding entsprechend anzupassen. Trotzdem guter Artikel und daher 4/5

Finde den Artikel nicht schlecht, aber mir fehlt iwo der Punkt, dass das Sideboard hauptsächlich dazu dient schlechte Matchups auszuwerten (Kombodecks und Morphboards lassen wir mal außen vor). Wenn mein Mono W Lifegaindeck z.B. schon ein gutes Burnmatchup hat, brauche ich keine Karten mehr die das Matchup zum Overkill machen.                                                                                          

 

Zweiter Punkt: Man sollte auch immer erwarten was der Gegner evtl boardet und sein Boarding entsprechend anpassen. Gegen Miracles ist Decay ne super Karte, aber wenn ich damit rechne dass mein Gegner Counterbalance rausboardet kann ich evtl auch 1-2 Exemplare rausboarden. Oder will ich mein Removal komplett cutten, obwohl kein Gegner evtl Monastery Mentor bringt? Hier geht es darum das wahrscheinlichste Boarding des Gegners zu erahnen und das eigene Boarding entsprechend anzupassen. Trotzdem guter Artikel und daher 4/5

Zu 1.: Richtig, das ist im meinem Gedankenwirrwarr vollkommen untergegangen.

 

Zu 2.: Da bin ich anderer Meinung. Das liegt daran, dass manche Entscheidungen auf der anderen Seite offensichtlich sind, andere wiederum nicht. Der Versuch zu erahnen was mein Gegenüber machen möchte ist in diesem Format ein schwieriges Unterfangen. Die einzige sichere Prognose die abgegeben werden kann ist, welche Karten das Deck verlassen. 

 

Die Vielzahl von Karten und die unüberschaubaren Optionen machen diesen Versuch derart abenteuerlich dass ich mich klar gegen dieses Vorgehen ausspreche. Man ertappt sich dabei situationsabhängige Karten zu spielen als Antwort auf Antworten des Gegners.

 

Zur Veranschaulichung erneut ein einfaches Beispiel:

Zu Zeiten als ich noch gute Gxx Decks gespielt habe, war Choke immer ein 1-of im Sideboard, obwohl die Konstellation des Formats diesen Slot nicht rechtfertigen konnte. Trotzdem konnte ich durch Choke mehrere Spiele gewinnen. Ist es nun für den Blau-Spieler sinnvoll gegen diese Einmal-Karte etwas gesondertes zu unternehmen?

 

Oder findet man sich damit ab, dass man gegen Choke einfach verlieren wird und das Spiel somit in die Kategorie "Varianz" fällt? 

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