Krisenmanagement zum Anfassen: der Top-Ban und das Metagame danach
Legacy Senseis Divining Top Ban Meta MKM Series Frankfurt
Looking for an English version? How to Come Out on Top After Unexpected Changes
Die Ausgangslage
Die Bombe platzte am 24. April nachmittags: "Sensei's Divining Top is banned" verkündete Wizards of the Coast - und in Legacy ging eine Ära zu Ende. Seit dem Druck der Miracles-Mechanik in Avacyn Restored 2012 war Miracles eines der formatbestimmenden Decks gewesen. Die Kombination aus Sensei's Divining Top, Counterbalance, Terminus und Entreat the Angels, zusammen mit Kontroll- und Legacy-Staples wie Swords to Plowshares, Brainstorm und Ponder, schuf ein Deck, das über Jahre hinweg allen Umwälzungen des Legacy-Metagames widerstehen konnte. Beinahe fünf Jahre lang war Miracles immer "Deck to Beat".
Mit Sensei's Divining Top erwischte der Ban die wohl wichtigste Säule des Decks. Zwar wurde die Karte nicht (nur) aus Dominanzgründen, sondern (auch) wegen ihrer Auswirkungen auf das flüssige Turnierspiel verboten, aber ohne den Top - sind sich zahlreiche Spieler einig - war Miracles in der bisherigen Form unspielbar geworden.
MKM Series Frankfurt
Top gebannt, Enthusiasmus bei den einen, Entsetzen bei den anderen - und nur eine Woche nach dem Ban stand mit MKM Series Frankfurt vom 28.04. bis zum 01.05. das wohl größte jährliche Legacy-Turnier im deutschen Raum an. Womit also antreten? Welches Metagame also erwarten?
Dabei muss man im Hinterkopf behalten, dass Legacy als Format eine gewisse Trägheit besitzt. Zahlreiche Spieler, eventuell sogar eine Mehrzahl, besitzen nur ein Legacy-Deck bzw. nur eine Shell und können nicht innerhalb einer Woche komplett umsatteln. Bei allen Diskussionen um das Metagame gibt es also immer zu bedenken, dass dieses Metagame sich wohl noch Monate nach dem Ban nicht endgültig gefestigt haben wird.
Dennoch kristallisierten sich drei Optionen heraus, wie Spieler von Miracles und anderen Decks mit der Situation umgehen konnten. Die Ergebnisse eignen sich auch anschaulich als Lektion im angewandten Krisenmanagement...
Option A: Der König ist tot, lang lebe der König
Das Stadtgespräch im Vorfeld von Frankfurt waren die sogenannten "Not Quite Miracles"-Listen. Mit mehr harter Permission wie Counterspell und Supreme Verdict sowie mehr Kreaturen im Deck sollte das Fehlen der Kartenvorteils-Engine durch Value ausgeglichen werden. Auf diese Listen setzte manch ein Miracles-Spieler seine Hoffnungen; teils aufgrund des kurzfristigen Bans, teils aber auch, weil Miracles schon seit geraumer Zeit das einzige pure Kontrolldeck im Format war. Sensei's Divining Top zu streichen und so weiterzumachen, als sei nichts gewesen - konnte das gutgehen?
Zumindest in der Momentaufnahme zeichnet sich eine eindeutige Antwort ab. Weder in Frankfurt noch bei einem anderen Event in dieser und folgenden Woche konnte "Not Quite Miracles" punkten. Wie auch hier im Forum richtig bemerkt wurde, fehlt ohne den "Topf" einfach der Klebstoff, der das Deck zusammenhält. Mangelnde Konstanz ist die Folge, zumindest im Moment.
Option B: Hektische Betriebsamkeit
Das andere Stadtgespräch in und um Frankfurt waren die Sideboards, teils auch die Flexslots in den Mainboards. Zahlreiche Spieler versuchten sich so gut wie möglich auf ein Meta auszurichten, das in dieser Form noch gar nicht existierte. Manche dieser Ideen erwiesen sich als vorausschauend, etwa ein vermehrtes Auftreten von Containment Priest oder Blood Moon in den Sideboards. Andere, wie Cursed Totem oder Perish, führten in der Praxis eher in die Sackgasse.
Das Hauptproblem beim Bau von Metadecks und Metasideboards bleibt stets das gleiche: sowohl das Meta als auch das eigene Deck müssen beide mitspielen. Jeder Spieler wird schon einmal die Erfahrung gemacht haben, sein Deck durch den Einbau oder das Überboarden zu enger Card Choices förmlich versaut zu haben. Wer gegen das Meta spielt, spielt immer auch gegen sich selbst. Mehr dazu später.
Option C: Business as usual
Die letzte Option, die freilich nur Spielern anderer Decks als Miracles offen stand: So wenig verändern wie irgend möglich. Die ersten Legacy-Events in Frankfurt starteten nur 96 Stunden nach Bekanntwerden des Bans - welche fundierten Veränderungen am Deck ließen sich in dieser Zeit schon vornehmen? Zahlreiche Spieler ersetzten oder reduzierten daher nur die Karten in den Sideboards, die sich vornehmlich gegen Miracles richteten, wie etwa Pithing Needle oder Choke - oder tasteten sie im Hinblick auf andere Topdecks wie etwa Sneak & Show nicht an. Schließlich sind nur wenige Sideboardoptionen in Legacy ausschließlich gegen einen Decktyp gedacht.
Das große Meta-Raten
Kurzer Exkurs: Alain Ledoux formulierte 1981 einen Wettbewerb, den derjenige Leser gewann, dessen eingesandte Zahl zwei Dritteln des Durchschnittswertes aller eingesandten Zahlen am nächsten kam. Das Problem dahinter ist offensichtlich: je niedriger ich und alle anderen schätzen, desto mehr verschieben wir selbst den Durchschnitt und damit unseren idealen Schätzwert. Wenn im Durchschnitt 50 geschätzt wird, dann wäre mein idealer Wert 33,3 - wenn aber alle Teilnehmer so denken, dann müsste ich 22,2 schätzen, danach 14,6 und so weiter und so fort...
Was hat das mit Magic zu tun?
Metagaming ist im Grunde wie Ledoux' Wettbewerb - wenn ich mich gegen das Meta stelle, kann ich gewinnen. Ich selbst bin allerdings auch stets Teil des Metas und muss antizipieren, dass meine Betrachtungstiefe von der Mehrheit geteilt wird. Spiele ich also das Meta-Deck? Oder das Meta-Meta-Deck? Bei Magic kommt der "Stein-Schere-Papier"-Aspekt des Spiels hinzu, über den ich schon einmal ausführlicher geschrieben habe: Positioniere ich mich innerhalb der Matrix um, mache ich mich für unterschiedliche Strategien angreifbarer.
Das Ergebnis
Am Ende des Tages landeten in Frankfurt acht unterschiedliche Decks in der Top 8:
- Sneak and Show
- Redanimator
- Food Chain
- Grixis Delver
- Deathblade
- Aggro Loam
- Storm
- Elves
Zudem konnten in Frankfurt auch erfahrene Spieler mit eigentlich "abgemeldeten" Decks gut abschneiden, etwa Jund, UB Reanimator oder Canadian - keines dieser drei Decks hatte einen nennenswerten Meta-Anteil, trotzdem gab es für sie die Plätze 10, 12 und 29. Kontinuität in der Deckwahl ist, gerade angesichts eines unruhigen Formats, offenbar ein nicht zu vernachlässigender Erfolgsfaktor.
Zudem zeichnen sich grobe Trends ab: Das Fehlen eines puren Kontrolldecks bevorzugt Kombodecks, die damit fünf Decks in der Top 8 stellen. Allerdings können Deathblade und Aggro Loam zu unterschiedlichen Graden als Kontrolldecks verstanden werden, die den Handlungsspielraum von Kombodecks mit Karten wie Chalice of the Void, Gaddock Teeg, Meddling Mage, Ethersworn Canonist oder Containment Priest eingrenzen. Sie scheinen zunächst gut positioniert. Folgt man dieser Lesart, so wird der mittelbare Verlierer des neuen Metas klar: Aggro und Decks, die vor allem Miracles schlagen konnten. Aggro Loam, ursprünglich als als Miracles-Killer gestartet, hat in Frankfurt dagegen unter Umständen seine dauerhafte Durchsetzungsfähigkeit demonstriert. Bemerkenswert ist auch der tragische Fall von Death and Taxes: 33 von 437 Spielern, so viel wie Sneak and Show und nur übertroffen von Grixis Delver. Keine Platzierung in den Top 20.
Der Ausblick
Das Legacy-Metagame bleibt spannend und festigt sich vermutlch tatsächlich erst innerhalb der kommenden Monate vollständig. In Frankfurt sind die ganz großen Überraschungen noch einmal ausgeblieben - aber es ist nie auszuschließen, dass sich das Metagame durch ein ganz neues Deck entscheidend weiterentwickelt. Was meint ihr: Ist die Top 8 aus FFM bereits der Weisheit letzter Schluss? Und welche Veränderungen kommen auf uns zu?
[edit: Platzierung von Canadian korrigiert, danke an dat Biest für den Hinweis]
- Kanonenfutter, Dragno, Nekrataal der 2. und 4 andere haben sich bedankt
Erstmal kleine Anmerkung: Platz 33 war keines der genannten Decks, Jan-Erik hat Blade gespielt. Canadian war dafür sehr sicher auf der 29. Macht jetzt den Bock nicht sonderlich fett, aber wenn ich schonmal klugscheißen kann...
Ansonsten finde ich den Eintrag sehr nice und rund, guter Einstieg, sinnige Folgerungen, guter Abschluss um in eine Diskussion zu kommen.
Auch wenn ich deine Ausführungen in sich sinnig finde, komme ich doch teilweise zu anderen Schlüssen:
Weit auseinander gehen allerdings unsere Meinungen zum Meta-Shift (der ja kommen muss, wenn das Tier-Deck wegbricht): Ich denke nicht, dass Combo mittelfristig vorne mitmischen wird; es wird die übliche Wellenbewegung sein, dass Combo jetzt kurzzeitig auftrumphen kann, in dem Kielwasser dann aber wiederum Combo-Fresser oder worst Case Hateboards mitschwimmen.
Allgemein gab es in Frankfurt meiner Meinung nach vorallem 2 Dinge zu beobachten:
Schaut man sich den Meta-Breakdown an, bricht aus den Top-10 der meistgespielten Decks nur D'n'T mit diesen Grundsätzen, wobei D'n'T ohnehin immer so ein Phänomen ist, welches häufig vertreten ist aber selten mal was reißt. Zurückzuführen womöglich auf das Verfügbarkeits-Problem... D'n'T ist halt vergleichsweise günstig in der Anschaffung, bildet aber auch einen weitgehend isolierten Pool. D'n'T-Spieler haben wohl häufig gar nicht die Wahl, etwas anderes ins Feld zu führen ohne vorher Unsummen investieren zu müssen.
Mein Ausblick wäre daher, dass sich das Spiel zwischen (Glaskanonen-)Combodecks und UBx-Midrange noch ein wenig ziehen wird und dann mit festeren sich herauskristallisierenden Archetypes langsam setzen wird, bevor in dieses sich setzende Meta dann (alte) neue Approaches eingreifen werden, die gegen beide Seiten was können. Dies könnten Chalice-Decks sein (wo ist eigentlich Eldrazi hin!?), dies könnte aber auch klassisches Tempo wie z.B. Canadian sein, welches absolut ok vs. Combo steht und Midrange-Manabases bestrafen kann. Wir werden sehen...
Last but not least darf man auch nicht vergessen, wie frisch das alles noch ist und dass Frankfurt nun eben auch erstmal nur ein Turnier gewesen ist, von daher sollte man es hinsichtlich Rückschlüsse auf das allgemeine Meta nicht überbewerten.