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"No changes". Wann ist ein Format gesund?

Geschrieben von Barschrampe , 15. Juni 2017 · 1.598 Aufrufe

Legacy Modern Standard Ban Aetherworks Marvel

Vor kurzem ging es um die Folgen eines Bans – heute widmen wir uns den Gründen. Warum verbietet Wizards of the Coast Karten? Welche Kriterien werden an ein „gesundes Format“ angelegt, und welche Auswirkungen ergeben sich daraus für uns Spieler? Und ganz zum Schluss werfe ich einmal selbst die Glaskugel für Legacy an und spekuliere ein wenig.

Die Ausgangslage
Wieder einmal musste in Standard eine Karte gehen. Dieses Mal war es Aetherworks Marvel, eine Karte, die ein dominantes Kombodeck rund um Energiemarken und Ulamog, the ceaseless Hunger ermöglichte. Senior Design Director Aaron Forsythe schreibt in der offiziellen Begründung für den ab dem 19.06. geltenden Ban:

When considering the health of a format, there are many factors to take into consideration: Is one strategy so dominant as to be the only correct choice? Does any other deck trump the strategy in question in any meaningful way? Is there likely to be or has there been a recent shift in the metagame? Is the metagame share of the best deck higher than would be expected? Are players engaging with the format, and, when they do, are they having fun?

Es lohnt sich, diese Fragestellungen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. So können wir eine genauere Vorstellung davon bekommen, was Wizards of the Coast unter einem "gesunden Format" versteht. Schließlich zielen alle Bannings darauf ab, dieses gesunde Format (wieder) herzustellen.

Anteil am Metagame
Forsythe fragt, ob der Metagame-Anteil des Decks höher ist als erwartet. Das wirft die Frage auf: Was ist denn "erwartet"? Ziehen wir also einmal die durchschnittlichen Metagames großer Turniere zu Rate. Nehmen wir die Teilnehmerfelder der MKM Series des letzten Jahres (die einen leicht vergleichbaren und hoffentlich repräsentativen Datensatz des europäischen Metas abbilden) mit mehr als 100 Spielern, ergibt sich ein recht konstantes Bild: Die jeweiligen meistgespielten Decks im Format machen in Standard 14-17 Prozent, in Modern 10-12 Prozent und in Legacy 8-11 Prozent aus. Metagame-Analysen für MTG Online weisen etwa 17-20 Prozent (Standard), 10-12 Prozent (Modern) und 10-12 Prozent (Legacy) aus.
Die Daten, die Wizards zur Begründung des Bans anführt, zeigen Temur Aetherworks für MTG Online mit einem Meta-Anteil von 26,9 Prozent. Dies ist signifikant höher als angesichts der obigen Zahlen "erwartbar". Aber ist das alleine bereits ein Grund für den Ban?

Dominanz im Metagame
Nicht alle Decks sind gleich - oder gleich erfolgreich. Ein kleines Rechenbeispiel: Nehmen wir an, Grixis Delver hat als Topdeck in Legacy einen Meta-Anteil von exakt 10 Prozent. Bei einem Sieben-Runden-Turnier liegen meine Chancen, Grixis Delver nicht als Gegner zugelost zu bekommen, damit theoretisch bei etwas über 50 Prozent. In der Praxis allerdings steigt meine Chance, dem Deck zu begegnen, je länger ich erfolgreich spiele. Der häufig verwendete Begriff "Deck to Beat" bezeichnet diese statistisch nur schwer zu erfassende Kombination aus Metagame-Anteil und Spielstärke. Möchte ich etwas gewinnen, muss ich mich darauf einstellen, das Deck zu schlagen.

Der Ban von Aetherworks Marvel begründet sich auch dadurch, dass das Deck unter den Top-Decks überproportional häufig vertreten war - beinahe die Hälfte der Top 32 beim Grand Prix Amsterdam spielte Aetherworks-Varianten, so Forsythe. Der kleinere Kartenpool im Standard (vor dem Ban nur 1.716 Karten, verglichen mit über 10.000 Karten in Modern oder Legacy) macht es schwieriger, Gegenstrategien zu erfolgreichen Decks zu entwickeln. Die Selbstregulierungskräfte des Formats sind dadurch geringer. Die Eternal-Formate besitzen mit Karten wie Pithing Needle, Gaddock Teeg oder Force of Will Ventile. Daher wird dort (meistens) erst dann gebannt, wenn sich langfristig zeigt, dass das Format mit einer Strategie nicht umgehen kann. Ein Beispiel hierfür ist Splinter Twin in Modern.

Tatsächlich hatte Wizards als Alternative zum Ban in Erwägung gezogen, Gegenstrategien in das Format zu bringen:

We looked at making other cards legal for Standard that otherwise wouldn't be, like Pithing Needle and Duress.

Fun oder Unfun?
Metagame-Anteil und Dominanz eines Decks sind statistisch vergleichsweise leicht zu erfassen. Komplizierter wird es bei der Frage: Macht es Spaß, mit oder gegen die Karte zu spielen? Schließlich ist Spaß subjektiv. Kein Spieler verliert gerne, dennoch sind starke Karten nicht per se „unfun“. Aetherworks Marvel ist auch deswegen gebannt, weil es schlicht kein Spaß ist, sich zufallsabhängig in etwa 10 Prozent aller Spiele in Zug 4 mit Ulamog, the Ceaseless Hunger konfrontiert zu sehen, wie Frank Karsten ausgerechnet hat. Der Spaßfaktor einer Karte ist für Wizards of the Coast entscheidend: eine andere Begründung, warum beispielsweise Mind Twist immer noch in Legacy verboten ist, ist kaum vorstellbar.

Den Spielspaß einer Karte gemeinsam mit deren Einfluss auf das Metagame als Begründung heranzuziehen, bedeutet, dass die höchste Gefahr für einen Ban stets für unfair destruktive Karten besteht (Balance oder Mental Missstep), gefolgt von unfair konstruktiven Karten (Aetherworks Marvel oder Survival of the Fittest), gefolgt von fair destruktiven Karten (Punishing Fire) und fair konstruktiven (Deathrite Shaman oder Ponder). Sollte also im nächsten Set eine Karte enthalten sein, die für null Mana zwei Länder zerstören kann, würde ich mich nicht darauf einstellen, sie allzu lange spielen zu dürfen.

Ausblick
Angesichts des letzten Bans hat Wizards of the Coast wieder einmal dargelegt, welche Maßstäbe sie an ein gesundes Format anlegen. Ob diese mit den Maßstäben der Spieler übereinstimmen, lassen wir hier einmal dahingestellt. Dennoch geben sie Spielern eine Möglichkeit, die kommenden Entwicklungen ihres Formats einzuschätzen. Legacy scheint, auch nach dem Ban von Sensei's Divining Top, ähnlich gesund wie zuvor. Das Format hat sich allerdings noch nicht wieder vollständig gesetzt und ist nach wie vor in Bewegung.

 

Wenn sich an den durch Forsythe dargelegten Beurteilungen nichts ändert, dann wage ich für die kommenden Jahre folgende Prognosen für Legacy:

  • Weder Brainstorm noch Force of Will werden gebannt werden. Hätte Force of Will bislang nicht existiert und würde morgen gedruckt werden, läge der Fall sicherlich anders. So aber existiert schlicht kein Grund für den Ban. Von einer Balance zwischen den Farben ist und war niemals die Rede, wenn es um die Gesundheit des Formats geht.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass Deathrite Shaman oder Gitaxian Probe gebannt werden, bleibt weiterhin niedrig. Deathrite Shaman ist aktuell die Karte, die das Meta im Alleingang am Stärksten verschiebt. Dennoch macht er aktuell mehr Decks spielbar, nicht weniger. Sollte sich dies ändern, wird ein Ban denkbar.
  • Vorstellbar ist dagegen ein Ban von Karten wie Show and Tell, Food Chain, Aluren oder Reanimate, wenn die entsprechenden Decks jemals dauerhaft einen überproportionalen Metagame-Anteil im Legacy erreichen sollten. Den Enabler erwischt es eher als die Wincondition, und Sprüche eher als Kreaturen. Danach sieht es aktuell jedoch in keinem dieser Fälle aus. Für alle genannten Karten existieren mehr als genug valide Gegenstrategien.
"No changes" bleibt also am wahrscheinlichsten. Oder schätzt ihr die Situation anders ein?



  • Assimett , Nekrataal der 2. , JanErik und 2 andere haben sich bedankt



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