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20 Jahre

Geschrieben von The Beast , 09. Juli 2019 · 6.411 Aufrufe

Ich habe kürzlich festgestellt, dass bereits 20 Jahre rum sind. Im Sommer vor 20 Jahren stieß ein heranwachsendes kleines Beast im Norden des Landes zum ersten mal auf die bedruckten Pappkarten, die bis heute einen festen Bestand in seiner Freizeitgestaltung haben. Obendrein lernte ich über Magic auch viele verschiedene Menschen kennen, manche von ihnen sind/waren am unteren Ende der "Cooler Typ"-Skala, viele sind absolut in Ordnung und einige sind zu sehr guten Freunden geworden.
Und da dieses Spiel mich mittlerweile - mal aktiver und mal weniger intensiv - insgesamt aber bereits über mein halbes Leben begleitet, hielt ich es für angebracht, meinen spielerischen Werdegang mal in Worte zu fassen.

 

Die Anfänge

 

Aber erstmal zurück zum Anfang, der war im Jahre 1999. Ich war 13 (und damit genau in dem auf den Boostern und Startern angegebenen Magic-Alter), lebte noch zusammen mit meinem Bruder im elterlichen Haus in der schönen norddeutschen Kleinstadt Bad Segeberg und es war Frühsommer, nach Magic-Zeitrechnung einige Wochen vor dem Release von Merkadische Masken. Ich kannte Magic vom Hören-Sagen-Sehen, hatte mich aber bis dato nicht mal ansatzweise mit damit auseinandergesetzt. Ich wusste es gab dieses Spiel, ich wusste dass einige Bekannte es spielten aber weiter hatte ich mich nicht damit befasst. Schließlich hatte ich mein Skateboard, meinen Basketball und für schlechtes Wetter oder faule Tage auch noch 'ne Playstation samt Glotze im Zimmer stehen.

 

Mein Bruder hingegen hatte bereits einige Karten aus der Ära Sturmwind, 5te Edition und Portal, spielte damit aber so gut wie nicht, sondern sammelte sie lediglich, ohne dabei aber irgendeine Ahnung von Werten oder Seltenheiten oder so zu haben. Er wollte mich überzeugen, das Spiel mal mit ihm auszuprobieren, aber ich wollte lieber andere Dinge tun wie Skateboarden und Basketball spielen halt. Beides kann man allerdings nur bei gutem Wetter tun und immer nur Playstation daddeln schockt ja auch nicht; wir bauten uns also eines verregneten Tages dann doch mal "Decks" (aus heutiger Sicht wohl "räudigste zweifarbige Haufen aus eimerweise schlechten Kreaturen und ein paar Ländern") aus seinem Bestand, lasen uns grob die Regeln an (natürlich falsch) und spielten dann gegeneinander. Kreatur legen, drehen. Kreatur legen, drehen. Kreatur legen, ... ich war überhaupt nicht angetan; das Spiel wirkte auf mich enorm stupide und nicht nach etwas, mit dem ich meine Zeit (und mein damals knappes Geld) verbringen wollte. Mein gerade leicht aufkeimendes Interesse wurde quasi wieder im Embryo-Stadium erstickt. Mein Bruder hingegen nahm sich daraufhin vor, es dann und wann mal zu spielen, wozu hatte er schließlich seine Karten?

 

Ein paar Tage später spielte er dann mit dem Haufen, den er schon für unsere Test-Duelle genutzt hat, gegen unseren damaligen Nachbarn Julian - dieser hatte aber anders als wir das Spiel schon ein wenig besser verstanden und spielte eben nicht nur Länder + Kreaturen, sondern hatte noch andere Karten wie Shock, Volcanic Hammer oder auch Stone Rain in seinem monoroten Deck, mit denen er auch an den Kreaturen meines Bruders vorbei ziemlich coole Dinge tun konnte: Er zerstörte Länder und schnitt meinen Bruder so von Mana/Farben ab, er erschoss Kreaturen und nutzte Combat-Tricks für Vorteile im Kampf und brannte auch mal die letzten Lebenspunkte direkt runter.
Ich schaute ein wenig zu und das war dann der Moment, in dem ich mir dachte "hmmm... da geht wohl doch bedeutend mehr als der erste Eindruck vermuten ließ". Entsprechend war ich angefixt und am nächsten Tag wurde dann für 10,- DM oder so einem Bekannten dessen ungenutzte kleine Sammlung von ca. 300 Karten abgekauft (da war sogar ein King's Assassin mit bei - "Ich kann den jede Runde tappen und eine Kreatur töten, wie übertrieben unfair ist der denn bitte!?" :D ), dazu kam dann noch ein Starterpack 6te Edition (full of Crap natürlich - zu meiner Schande kann ich mich nicht mal mehr an meine ersten selbst gezogenen Rares erinnern... glaube eine Meisterin der Sphären und/oder ein Orden der Heiligen Fackel war mit dabei) und los ging's!

 

Da wir alle wenig Karten hatten, legten wir uns jeweils erstmal auf eine oder maximal zwei Farben fest, bauten unsere Decks und spielten untereinander. Ich landete nicht zuletzt durch die aufgekaufte Sammlung recht schnell bei {G} {B} - Kreaturen beim Gegner abknallen, Wurzelbrechender Wurm und Co. legen, gewinnen. Oder verlieren, kam komischerweise auch oft vor mit einem Deck voller Fatties und ohne nennenswerte Mengen an Ramp...

 

Viele kleine Schritte und Lektionen

 

Nichtsdestotrotz, ich war infiziert. Ich saß stundenlang zu Hause in meinem Zimmer, den ganzen Boden mit Karten ausgelegt, und versuchte mich an neuen "Decks", las das Kartefakt-Heft, kaufte Booster, verteilte noch mehr Karten auf dem Boden, vorallem aber spielte ich wann immer es ging gegen meinen Bruder, meinen Nachbarn und andere Freunde, die sich auch nach und nach als MtG-Spieler entpuppten oder ihrerseits anstecken ließen. Im Zimmer, im Keller, auf der Terrasse, wo immer sich ein freier Tisch (oder zumindest ein einigermaßen sauberer Fußboden) fand, wurden Karten gedreht. Das Regelverständnis wuchs dabei schnell auf ein ausreichend adäquates Level, das Spielverständnis wuchs analog mit und recht schnell dämmerte es einem eben auch, dass ein Wurzelbrechender Wurm gar keine so gute Karte ist wie man ganz am Anfang noch dachte während ein Llanowar Elves trotz mickriger 1/1 irgendwie viel besser in das Deck passte. ;)

 

Wir bauten mit der Zeit entsprechend immer weniger räudige Haufen und spielten zunehmend in unserem damaligen LGS, der "Spielekiste". Dort lernte ich unter anderem Kim kennen, mit dem ich nach wie vor eine sehr gute Freundschaft pflege; dort zu Gast war häufig aber auch Michael, genannt Michi, welcher für uns Noobs damals sowas wie der absolute Endgegner war. Wir alle spielten inzwischen immerhin irgendwelche Decks mit einigermaßen austarierter Kurve und die Länderzahl grob daran angepasst und eben vorallem mit dem, was wir so hatten. Michi hatte anders als wir aber alles. Einfach alles! Vom Playset Birds of Paradise (damals vergleichsweise echt teure Viecher) über Gaea's Cradle bis zum voll überkrassen Thorn Elemental (damals eine 10,00+ DM Rare). Er spielte eigentlich immer {G} + X Ramp und weil er eben die ganzen geilen Karten hatte die wir alle eben nicht hatten, hat er uns meist lang gemacht. Wenn in Teams gespielt wurde, wollte jeder mit Michi zusammen spielen, in free for all Multiplayer verbündete man sich gegen ihn oder hoffte auf sein Wohlwollen, einen nicht als ersten aus dem Spiel zu kloppen, und so weiter.

 

In diesem Kontext lernte ich dann eine sehr wichtige Lektion. Nämlich, dass man Good-Stuff nicht konstant mit Not-so-good-Stuff schlagen kann... wohl aber mit einer geeigneten Strategie. Letzteres war quasi ein Novum, da wir ja alle bislang immer nur Kreaturen, ein wenig Removal, vielleicht noch den einen oder anderen Combat-Trick und dabei eine angepasste Manakurve beim Deckbau im Sinn hatten a.k.a. Kreaturen traden, Kreaturen legen und dabei gucken, dass das Deck einigermaßen konstant lieferte; wirkliche Unterschiede gab es für uns eigentlich nur in der Höhe der Kurve und der Farbe der Manasymbole. Ich plante also, inspiriert vom Kartefakt-Heft, ein super aggressives Deck aus Karten zu bauen, die ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hatten, dafür allerdings die eigenen Lebenspunkte, Handkarten oder auch Spielweise beanspruchten. Das Deck hörte auf den klangvollen Namen Suicide Black - allein das ließ einen schon erschaudern. :D

 

Ich durchwühlte meine Karten und ertauschte mir das Fehlende (u.a. auch von Michi) aus 4 Sarcomancy, 4 Carnophage, 3 Flesh Reaver, 4 Foul Imp, 4 Lurking Evil, 4 Skittering Skirge etc. und baute mir daraus eine straighte Liste, welche verglichen mit allem anderen was wir bislang so kannten brutal schnell war und dabei den Gegner und sich selbst ziemlich rapide in Richtung 0 Life Total prügelte. Das Deck sollte Michi tatsächlich ein paar finstere und verlustreiche Wochen bereiten nachdem er uns bis dato ziemlich solide dominieren konnte. Infolgedessen lernte ich, dass Lebenspunkte nicht nur ziemlich egal sind, solange sie irgendwie über 0 liegen, sondern dass man sie auch wunderbar als Ressource nutzen kann, um sich damit einen gewaltigen Vorteil im Spiel zu verschaffen.

 

Generell war tauschen damals der Way to go und es wurde bestenfalls grob nach dem Wert geguckt (das Kartefakt-Heft war halt die einzige greifbare Referenz und da es nur monatlich oder noch seltener erschien, war an aktuelle Preislisten gar nicht zu denken) und oftmals einfach nach Bedarf getauscht:
Kreuzzug gegen Karmesinroter Höllendrache? Deal.
2 Gaea's Cradle für deinen Morphling? Machen wir!
Du gibst mir deine Lin-Sivvi, Defiant Hero und kriegst die nächsten 3 Rares aus meinen Boostern? Abgemacht!
Rückblickend war's ziemlich romantisch, man bekam Karten halt nur, indem man sie selbst öffnete oder hoffte, dass jemand im LGS dies tat und sie dann vertauschen würde. War schon cool.

 

Das Internet war seinerzeit noch bei weitem nicht die Anlaufstelle für Karten und Decks wie es das heute ist, also konnten wir auch nicht netdecken, wohl aber "heftdecken" und nachdem mein Suicide Black ordentlich Eindruck schinden konnte, wurden wir nicht müde, auch mal andere Konzepte aus den gedruckten Medien nachzubauen und auszuprobieren. Teils lief es ziemlich Sahne, teils auch eher nicht, wobei letzteres wohl eher mangelndem Deck- oder Kartenverständnis geschuldet war. Mein Kumpel Olli baute sich etwa das Necro-Donate-Deck nach, welches (für die, die es nicht kennen) eigentlich per Necropotence Karten zieht, anschließend mit Illusions of Grandeur das eigene Lebenspunkte-Konto wieder voll macht und schließlich per Donate die Illusions an den Gegner weitergibt und wartet, bis dieser die kummulative Upkeep nicht mehr zahlen kann und dafür 20 gedrückt bekommt - im Idealfall schenkt man dem Gegner das Ding Turn 2-3.
Olli aber dachte anfangs, dass Necropotence ja eine unheimlich schlechte Karte ist, weil man ja auf natürlichem Wege keine Karte mehr zieht und es plötzlich Leben kostet, das zu machen. Die Option, mehr als eine Karte pro Runde zu ziehen, kam ihm dabei gar nicht in den Sinn. Entsprechend verlief sein erstes Testgame gegen mich in etwa so: Olli spielt Necropotence, Olli spielt Donate und gibt mir die Necropotence, damit ich beim Card-Draw Schaden nehme. Ich lege meine halbe Hand aus, zahle ~8 Life und vermöbele ihn in 2 Turns komplett dank des massenhaften Nachschubs und er sinniert, ob das Deck nicht eventuell doch anders gespielt werden will? :unsure:

 

Als Resultat aus den verschiedenen nachgebauten Decks begann auch mein eigener Deckbau immer extremer zu werden, sowohl was die Umsetzung von Strategien anging als auch die Nutzung von Resourcen, die kein Mana sind. Dennoch wandte ich dieses Wissen nur beim Just for Fun im LGS und zu Hause bei/mit Freunden an; wirkliche Turniere gab es einfach nicht (klar, hier und da mal einen kleinen Draft im Laden mitgespielt, aber da waren wir wenn's richtig voll wurde 'n gutes Dutzend Spieler). Bis eines Tages Olli fragte, ob wir nicht Lust hätten, mit ihm nach Lübeck zum Standard-Turnier (damals hieß es noch "Typ 2") zu kommen; sein Vater fährt uns auch hin und holt uns anschließend wieder ab...

 

Das erste echte Turnier bzw. "Was ist Meta-Gaming!?" und die erste Pause

 

Ahnungsbefreit wie wir nunmal waren (bis auf Olli, der hinter unserem Rücken heimlich anfing, aktuelle Standard-Decks zu scouten und sich UW-Control zusammen zu sammeln) informierten wir uns nur über das Nötigste: Was darf man überhaupt spielen? Planeshift war gerade frisch auf dem Markt, sodass die erlaubten Editionen sich zusammensetzten aus dem Masken-Block (Mercadian Masques + Nemesis + Prophecy), dazu Invasion + Planeshift sowie 7th Edition als aktuellstes Core Set. Ich hatte noch eine ganze Menge Rebellen rumliegen und bastelte mir so einen weißen Rebellen-Haufen mit Grünsplash (weiß leider nicht mehr wofür ich den eigentlich wollte) und einem random Blinding Angel, weil cool!
Hätte ich ähnlich wie Olli mal im Vorfeld Recherche zu den gängigen Decks betrieben, wären es mehr {G} für mehr Ramp und vorallem mehr Blinding Angels und weniger Rebellen geworden, denn die dominierenden Decks waren UW Counter-Rebel und vorallem Fires (ein RG Aggro-Deck, welches - sofern ungestört - mit dem namensgebenden Fires of Yavimaya und Saproling Burst ab T3 2 Turns in Folge für 12 respektive 9 Damage angreifen konnte und dazu auch noch Blastoderm und solchen aggressiven Kram spielte, aber kaum mehr als einen Dreck gegen Flieger tun konnte und wie ich im Turnier merkte häufig einfach am Blinding Angel verreckt ist, sobald der einmal connecten konnte).

 

Da ich dies aber nicht tat, war mein Deck selbst ein Dreck gegen Fires und mein erstes größeres Turnier (waren ~70 Teilnehmer) bestand aus einem Match 1 Win vs. UW Rebel gefolgt von 6 Losses in Serie vs. Fires. Mein Bruder erlebte mit Mono U Rising Waters Control ähnliches und Olli ging immerhin ausgeglichen aus der Nummer, allerdings mit Erstrunden-Bye durch ungerade Spielerzahl. ;) Abgesehen von wirklich krassen Tausch-Orgien vor Ort (habe u.a. 3 Urza's Rage versetzen können, die damals ungelogen fast unendlich viel Wert hatten :D ) war ich mega enttäuscht; weniger von meinem erwartet schlechten Abschneiden als viel mehr davon, gegen immer die gleiche Nummer gespielt zu haben (wobei ich den letzten Gegner nach seiner Eröffnung aus T1 Karplusan Forest into Birds of Paradise nur noch fragte "Fires?", er nickte und ich 0-2 auf dem Zettel unterschrieb, um mehr Zeit zum Traden zu haben). Wir waren die leichteste Beute, wir waren was wir irgendwann ein paar Jahre später leicht abschätzig über andere Turnier-Frischlinge sagen würden: Wir waren Kiddies. Gut genug für den kleinen LGS aber bestenfalls ein kleines Frühstück für "die Welt da draußen".

 

Meinen Mitstreitern erging es wie erwähnt wenig anders und so kehrten wir dem Constructed-Turniermagic lange Zeit den Rücken und widmeten uns wieder dem Küchentisch sowie dem LGS. Wir waren schon mehr oder minder Stammgäste in der Spielekiste, halfen dann und wann beim Umräumen etc. aus und auch beim Umzug in einen größeren Laden packten wir tatkräftig mit an. Inzwischen waren wir für etliche "Kiddies" im Laden schon die alten Hasen. Wir hatten die geilen Karten, wir hatten die krassen Decks, wir waren die Endgegner. Wir waren deren Michi.
Ich spielte zu der Zeit viel schwarz, ich hatte für Mehrspielerrunden ein Zombie-Deck mit massenhaft Sac-Effekten, Grave-Control und Living Dead, welche mir einseitig eine Armee verschafften. Für's 1-on-1 oder auch Two-Headed-Giant spielten Kim und ich jeweils UB Control und trieben gegnerische Teams komplett in die Verzweiflung mit massenhaft Counter und Removal und als Damage-Sources lediglich ein paar Undermine, Shadowmage Infiltrator, Quicksilver Dragon und Morphling.

 

Wir waren anders als Michi aber großmütige Endgegner. Wir schenkten unsere boosterfrischen Commons und Uncommons (und manchmal auch die Rares...) den anwesenden Kids und halfen ihnen beim Deckbau und dabei, ihr Spiel zu verbessern. Legendär ist immer noch der kleine Junge, der uns stolz sein rotes Aggro-Deck präsentierte und der nach der Durchsicht des Decks auf überraschend hohe Menge Lavaäxte im Deck angesprochen freudig antwortete: "Ist meine Lieblingskarte, die spiel' ich 9 mal! :ugly: " Weiß ehrlich gesagt auch gar nicht mehr, ob wir ihm anschließend noch geholfen haben oder ob der Satz die Hoffnung auf Besserung bereits komplett gekillt hatte...

 

Bei diversen kleinen Limited-Turnieren wie (Pre-)Releases und Drafts im LGS erlangte ich ein paar Achtungserfolge, aber mit fortschreitendem Alter wurden dann auch schnell Bier, Schnaps und Mädchen bedeutend interessanter. Mädchen lernte man aber weniger durch Magic zocken kennen, sodass ich wieder mehr Zeit mit anderen Hobbies verbrachte (vorallem wieder Basketball und Skateboarden, dazu fing ich langsam auch mit Fitness- und Kraftsport an) und Magic dann eher zum gemütlichen Daddeln beim Biertrinken und Grillen wurde; obendrein zerstritt ich mich auch noch mit dem Ladenbetreiber der Spielekiste und weil ich mitunter ein ziemlich sturer Bock bin, setzte ich dort auch freiwillig keinen Fuß mehr rein und hatte entsprechend auch keinen LGS mehr.
Ich habe meine Karten zwar nicht verkauft, nutzte sie aber phasenweise so gut wie gar nicht mehr und kaufte entsprechend auch quasi nichts neues und nach und nach verflog auch mein Interesse an dem Spiel... zumindest vorübergehend.

 

Die Rückkehr an den Kartentisch

 

Das alles änderte sich dann etliche Monate später kurz vor'm Abitur wieder schlagartig. Der Vater eines Freundes eines Mit-Abiturienten eröffnete mit dem "Asgaard" einen neuen Fantasy-Laden samt großen Räumlichkeiten zum Spielen aller möglichen Games im Obergeschoss in der Bad Segeberger Innenstadt; zudem verkauften sie (anfangs) Softdrinks und Snacks zu fairen Preisen und erlaubten auch essen und trinken in den Spielräumen, sofern man alles sauber hinterließ.
Sofort waren etliche Leute des Jahrgangs wieder Feuer und Flamme und auch ich ließ mich mitreißen und entstaubte meine alten Karten. Niemand interessierte sich für Formate oder sanktionierte Turniere; alle wollten einfach nur wieder zocken, entsprechend war es anfangs gemütliches Casual mit verschiedenen mehr oder minder exotischen Tribal-Decks wie Wizards, Soldiers, Zombies oder auch Spiders, einige spielten klassisch Wheenie, Burn oder Control und ich spielte bevorzugt mein monorotes Goblin-Ramp-Deck mit viel grünhäutigem Kleinvieh, dazu Brightstone Ritual und Skirk Prospector into fette Dinge wie Rorix Bladewing oder Dragon Tyrant. Das war sicherlich nicht wirklich gut, aber es hat einfach richtig Bock gemacht.

 

Schleichend entwickelte sich daraus dann im Laufe der Zeit immer härteres Casual. Einer baute das "Überdeck", was kaum mal verlor, der nächste holte sich dann eben broken Card X und baute darum herum ein besseres Überdeck und der dritte machte sich den Umstand zunutze, dass die anderen beiden nur den Boardstate fokussierten und schraubte sich 'ne Combo. Das übliche Wettrüsten halt, kennt vermutlich jeder. :D
Es gipfelte irgendwann in einem 14-Spieler-Free-4-All-Match, in welchem der gute Ulli und ich im Vorfeld unabgesprochen und doch im Geiste einig jeweils unsere Sliver-Decks auf die Mitspieler losließen (für die jüngeren Leser: Damals waren Sliver btw. noch cool und gaben ihre Boni dem ganzen Schwarm statt nur den eigenen Viechern, man vergleiche den coolen Muscle Sliver mal mit ziemlich armseligen Predatory Sliver, wo bleibt da bitte die Coolness!?), sodass wir nach den ersten beiden Turns ein recht klares 12 vs. 2 Handicap-Match spielten, in dem wir immerhin noch 5 andere Spieler oder so ausschalteten, bevor wir dann in gemeinschaftlicher Arbeit vom Rest zerribbelt wurden.

 

Man sieht aber, ein gewisser Ehrgeiz lässt sich nicht verleugnen und so fing ich wieder an, Decks zu brauen, welche schneller, höher, weiter gehen sollten. Ich tauschte mir eine Tolarian Academy heran und baute damit einen Haufen, welcher immer mehr Farben spielte für immer mehr nominelle Brokenness: Yawgmoth's Will, Yawgmoth's Bargain, Mana Vault, Mana Crypt, Sol Ring, Time Spiral, Stroke of Genius, Crop Rotation, Wheel of Fortune, Goblin Welder, Vampiric Tutor, Demonic Tutor, Mind over Matter ... alles was irgendwie krass war, Loops erzeugen konnte oder zumindest die krassen Sachen finden konnte, wanderte hinein, bis am Ende niemand mehr ernsthaft dagegen spielen wollte (obwohl das Deck eigentlich gar nicht mal sooo gut war, weil es einfach alles in 5 Farben wollte und so mitunter rattenschlechte Keeps/Draws hatte und total inkonstant lief, weil es teils T2 mehrere Gegner töten konnte und teils 10 Turns lang gar nix tat). Ich spielte sogar nur einen Brainstorm, um mich an Vintage-Restrictions zu halten, damit niemand sagen könnte, das Deck sei ja eh nirgends legal, aber das interessierte niemanden. Es wurde kollektiv im Strahl gebrochen, wenn ich die Academy auspackte und teilweise wurde das Deck in Multiplayer-Runden auch einfach boykottiert ("Wir spielen einfach ohne Morten weiter und tun so als hätte er nie stattgefunden, einverstanden?"). :D

 

Daraufhin baute ich mir dann eben einen Mono-B-Tendrils-Haufen, welcher einfach nur schnell war. Kaum Discard (nur 3 Duress oder so), keine andere Protection, einfach nur mit Gratis-Spells und Fast-Mana beschleunigen (Phyrexian Walker zusammen mit Culling the Weak ist voll geil!), Ad Nauseam und Cruel Bargain für mehr Karten und dadurch wiederum mehr Mana durchfeuern; aus'm Academy Deck hatte ich ja noch Sol Ring, Mana Vault, Mana Crypt, Vampiric Tutor und Demonic Tutor je einmal um die Vintage-Restrictions zu respektieren sowie Yawgmoth's Will (weil die Karte einfach zu geil ist!) und damit alle notwendigen Tools um recht konstant T1 oder T2 die Tendrils of Agony ins Gesicht zu feuern. Quasi 'ne Abart von Spanish Inquisition, ohne das Deck überhaupt gekannt zu haben; vielleicht gab's das auch noch gar nicht und ich hab's erfunden ohne es zu wissen? War natürlich unendlich broken in einem Casual-Meta wo quasi niemand mit Countern oder gar Sideboards spielt, aber wen interessiert sowas, wenn man auf beeindruckende Weise im ersten Turn gewinnt? :D

 

War mit dem Haufen unter anderem einmal in Kiel beim Gandalph, wo ich mich einer fremden 3-vs-3-Runde Emperor anschloss als 6ter Mann (Kaiser/Emperor sitzt in der Mitte, links und rechts je die Generäle und bevor man dem Kaiser was tun darf, muss man den jeweiligen General vor sich ausschalten), vorher gefragt, wie doll die Decks so sind? "Wir spielen alle unseren besten Decks, schon ziemlich heftig!" - ok, dann nehme ich wohl lieber mal Tendrils. Nach einem Kreislauf voller Land - Go gehe ich dann entspannt T2 in die Combo, tendrille den General, caste Will und zerstorme den Kaiser im gleichen Zug mit... ja, war wohl ein wenig übertrieben. Wollte dann recht schnell auch niemand mehr gegen spielen; war mir aber ziemlich egal, weil ich einfach Freude daran hatte, dass meine Brauerei funktioniert hat.
Letztlich hatte ich viel Spaß am bauen solcher Glaskanonen, für's wöchentliche Spielen hingegen "musste" ich eben auch noch ein paar fairere Decks behalten. Leider.

 

Turniere gab es auch, allerdings sehr selten mal Constructed, sondern fast ausschließlich Draft und Sealed, insbesondere natürlich zu und kurz nach Releases von neuen Sets. Auch hier gehörte ich wieder zu den "besseren", man muss dazu aber auch sagen, dass das Klientel recht unterschiedlich war und gerade zu den Prereleases eben auch viele jüngere Spieler (Kiddies halt ^^) anwesend waren, welche einfach ein teils massives Erfahrungsdefizit hatten und entsprechend eher Kanonenfutter denn wirkliche Konkurrenz darstellten.
Insgesamt wurde wöchentlich immer dienstags bis in den späten Abend gespielt, da das Asgaard an dem Tag mehr oder minder bis open End offen war und das Tresenpersonal eh immer World of Warcraft im Hintergrund offen hatte zum Zeitvertreib (irgendwann kam natürlich immer der letzte Mohikaner vom Staff nach oben und sagte "letzte Runde" an, wenn wir nach 23:00 Uhr immer noch am Zocken waren); jedoch zerfiel die regelmäßige Spielerschaft nach und nach, da viele nach dem Abitur logischerweise für Studium oder Ausbildung aus der Kleinstadt wegzogen. Umgekehrt schlich sich auch von Seiten des Asgaard-Personal langsam eine gewisse Lethargie ein und so schlief die ganze Sache letzten Endes nach ein paar guten Jahren irgendwann gänzlich ein und der Laden wurde aufgegeben, da die alten Stammspieler nicht mehr da waren und der Nachwuchs ausblieb.

 

Die zweite Pause und der Einstieg ins Competitive

 

Ich selbst gehörte kurz vor Ende des Ladens dann ebenfalls zu den Abwanderern und wohnte und studierte mittlerweile in Lübeck; meine alten Magic-Leute waren quer durch's Land verteilt und trotz Informatik-Studiums gab es in Lübeck keine aktiven Spieler oder ich fand sie zumindest nicht (wobei ich auch nicht wirklich aktiv suchte). Klischee not confirmed... So bunkerte ich meine Karten und Decks ein weiteres Mal in meiner Wohnung, ohne sie aktiv zu nutzen. Eigentlich wurden die Karten bestenfalls ein mal im Monat rausgekramt, wenn ein Besuch von oder bei Kim (Braunschweig) oder Ulli (Kiel) anstand; und selbst dann nicht immer, weil man ja auch bei Retro-Style-LAN-Geballer oder vor der Playstation gut Bier trinken und Schwachsinn reden konnte.
Als Student quasi chronisch pleite (ok, übertrieben, aber große Anschaffungen oder Ausflüge waren halt nicht jederzeit drin) überlegte ich hier dann tatsächlich mal, ganz auszusteigen und die doch recht stolze Sammlung aus über 10 Jahren mal zu verkaufen, aber dazu konnte ich mich dann letztlich auch nicht wirklich durchringen und so behielt ich einfach alles, ohne es sonderlich viel zu nutzen.

 

Die Rückkehr von Kim aus Braunschweig zurück nach Bad Segeberg brachte dann aber so langsam den Stein ins Rollen; man traf sich zum gelegentlichen Zocken und mehr oder minder zufällig kamen auch immer mehr Leute teils aus der Asgaard-Ära und teils als deren Freunde zu diesen Treffen und da es zwar das Asgaard nicht mehr gab, wohl aber Dienstage, wurde die Location kurzerhand zu "einem von uns" verlagert, wobei sich Kim's Wohnung (und später Kim's Haus) aus ausreichend komfortabel und für alle gut erreichbar herauskristallisierte, sodass "Dienstag bei Kim" zu einer festen Größe im Wochenplan wurde und bis heute immer noch ist.

 

Gespielt wurde auch hier anfangs alles, was man noch rumliegen hatte; Vampire trafen auf Boros Aggro, Goblins kämpften gegen Kleriker und der Rektor der Akademie buhlte mit dem Goblinschweißmeister darum, wer die krasseren Moves drauf hat. Es entbrannte recht schnell die übliche Diskussion, was in einem Casual-Meta cool sei und wo der Spaß aufhöre.
Die zwischenzeitliche Lösung hieß dann Highlander, um fiesen Tricks und Kombinationen ihre Konstanz zu nehmen - doch auch diese Format-Grenzen wurden bald ausgereizt und statt Redundanz wurden dann eben mehr Tutor-Effekte gezockt. Kim, Ulli und ich begründeten daraufhin ein Gentlemens' Agreement, dass wir komplett ohne Tutoren (außer Land-Tutoren zur Stabilisierung der Manabase) spielen würden, aber nicht alle teilten unsere Sicht der Dinge und recht schnell wurde aus Highlander dann Commander und das Wettrüsten ging von vorne los.

 

Häufig spielten wir Multiplayer-Runden, einfach damit alle zusammen zocken konnten, allerdings zogen sich diese auch irgendwann wie Kaugummi, weil mal wieder jemand seinen Diabolical Tutor abfeuerte ohne vorher zu wissen, was er damit eigentlich suchen will. Weil jede Runde das Child of Alara für einen kurzen Moment den Spieltisch besuchte. Weil Zedru, the Great-Hearted alle lieb haben wollte. Weil Angriff Verteidigung die beste Verteidigung ist.
Commander und die ganze Politik in großen Runden sorgte letztlich dafür, dass wir mit Glück 3 Games an einem Abend durchführen konnten und mit Pech Leute abbrechen mussten oder bereits vor der letzten Runde nach Hause fuhren, weil es einfach ein unendlicher Zeitfresser geworden war.

 

Irgendwann im Jahre 2013 lag daher der Gedanke in der Luft (ich weiß nicht mehr, wer ihn hereingetragen hat), dass statt großer Runden das gute alte 1-on-1 vielleicht doch die für alle zufriedenstellendere Lösung wäre und dass man wenn man eh am Wettrüsten ist, man sich ja auch auf ein Format festlegen könnte welches die Grenzen vorgibt. Und da wir alle noch krassen Shit aus unseren Anfängen hatten und teilweise ja auch zuvor im Casual gerne bis zur Brokenness herumexperimentiert haben, erschienen Standard und Modern uns zu soft und für Vintage bräuchte man Power für viel Geld sowie eine aktive Community... von einem Tag zum nächsten war irgendwie einfach klar, was wir künftig spielen würden: Legacy.

 

To be continued...

 

Bevor Fragen dazu aufkommen, der finale Part von Frank's Legacy ist ebenfalls in Arbeit, aber ich brauchte einfach mal Abwechslung beim Schreiben, daher auch keine Garantie, ob ich zuerst Frank's oder meine eigene Geschichte zuende erzählen werde.



  • Sedehi , cheff , King Suleiman und 22 andere haben sich bedankt



King Suleiman
09. Jul 2019 19:49

Leiwand!

    • The Beast hat sich bedankt

oh man.. sind bei mir ja jetzt auch schon 25 Jahre... mit einer langen unterbrechung drin.. ^^

 

Bin gespannt auf die Fortsetzung und auch auf Franks Story.. ;-)

    • The Beast hat sich bedankt
Jonnythopter
09. Jul 2019 23:38

Sehr angenehmer Les, schön, so eine Geschichte runtererzählt zu kriegen, die ich als Spätereinsteiger (2015) so nie hatte. Aber immer alles in der Gegend!

    • The Beast hat sich bedankt

So viele Parallelen... sogar das mit dem Zeitpunkt stimmt. Aber {G} -Ramp? Schäm' dich! Ohne Morphling ist sind die Decks doch styletechnisch nur halb so viel wert! 

 

Knorke Text. Nostalgie deluxe

    • The Beast hat sich bedankt

Sehr schön geschrieben. Lesen hat Spaß gemacht!

    • The Beast hat sich bedankt

Top! Da werden Erinnerungen wach, vor allem beim Heft lesen ;)

    • The Beast hat sich bedankt

Zu dem genannten Zeitpunkt hättest du Brainstorm sogar 4 mal spielen dürfen ;)

    • The Beast hat sich bedankt

Bin bei verschenkter Necropotence und neunfacher Lavaaxt fast vom Sofa wegexplodiert vor Lachen. Megageil. :D

 

Mach mal bitte schnell weiter, liest sich top und macht mich tierisch an!

    • The Beast hat sich bedankt

So nice, so viele Parallelen! Ich habe damals mit Urza's Destiny angefangen und ich habe so ziemlich die selben Pausen durch wie Du.

An einigen Stellen hatte ich sogar etwas Gänsehaut. Merci dafür!

    • The Beast hat sich bedankt
Nekrataal der 2.
16. Aug 2019 11:25

Jo, eskalierende Casual Runden kenne ich nur zu gut. Da bleibt dann nur noch der Ausweg ins kompetitiv Magic, damit man wieder ein gemeinsames Level findet

    • The Beast hat sich bedankt

Sehr nett zu lesen. Bei mir gab es früher auch den Endgegner Michi ;). Dachte kurzfristig schon es wäre der Gleiche gewesen.

Auch sehr lustig waren die 9 Lavaäxte ;D. Da kommen generell viele Erinnerungen hoch. 

Gerne mehr davon...........musste häufig schmunzeln und lachen :)

    • The Beast hat sich bedankt

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