Hallo und herzlich Willkommen zum neuesten Aufreger der Bundesrepublik. Die Ausgangssituation kurz umfasst sieht so aus:
Eine Mutti aus irgendeinem Ort in Deutschland hatte die Backen dicke, ihren scheinbar unsportlichen Wonneproppen einmal pro Jahr trösten zu müssen...nämlich immer zu den von allen Kindern heißgeliebten *cough* Bundesjugendspielen. Trost tat Not, da Muttis kleiner Spatz allem Anschein nach regelmäßig miserabel auf besagter Veranstaltung performte und ihm sein Versagen auch immer schriftlich so mitgegeben wurde (im Fachjargon: Teilnehmerurkunde. D.h. "Schön, dass du da warst. Jetzt verpiss dich du Looser!")
Mutti hat also beschlossen, eine Petition zu starten. In jener fordert sie die Bundesministrette für Frau, Kind und Todgeweihte (BMFSFJ bzw. Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend) eine Abschaffung dieses alljährlichen Höhepunktes eines jeden Schulsommers...
So weit, so polemisch...kurz: Die Bundesjugendspiele sollen nach Meinung einiger Bürger abgeschafft werden. Hintergrundinformationen finden sich hier
http://www.stern.de/...t--6313102.html
http://www.tagesscha...spiele-101.html
Zur Petition mitsamt Begründung für alle Willigen geht's hier
https://www.change.o...iele-abschaffen
So. Kommen wir zurück zum Ernst des Lebens...
Ich habe unterschrieben! Warum? Da gibt es mehrere Gründe:
1. Die Bundesjugendspiele sind ein pseudopädagogisches Relikt aus der allerjüngsten Nachkriegszeit, als an eine ehrliche und gelungene Entnazifizierung Deutschlands noch nicht im Traum zu denken war. Aufbau und Hintergrundidee erinnern frappierend an den inzwischen glücklicherweise ausgestorbenen Soldaten- und Übermenschenkult, der in der preußischen Stechschrittmentalität seinen unrühmlichen Anfang nahm und im Anschluss von einem kleinen Österreicher und seiner braunen Clique auf die Spitze getrieben wurde. Das ganze hübsch flankiert von einer zumindest fragwürdigen Interpretation Nietzscher Philosophie und der Sorte von Volkspädagogik, die für die Zukunft einer ganzen Ethnie nur ein berechtiges Ziel kannte: Höher, schneller, härter! Goodwins Law hab' ich damit also schonmal direkt im Startpost abgehakt
2. Der Wettbewerbsgedanke. Ich glaube auch, dass man Kinder möglichst früh mit Wettbewerben in Kontakt bringen muss. Wir leben tatsächlich in einer Zeit, in der Darwins "Survival of the Fittest" wieder mehr und mehr das gesellschaftliche Klima dominiert dank erodierender Sozialgesetzgebung und global-wirtschaftlicher Instabilität. Kinder müssen also auch meiner Meinung nach "wettbewerbsfähig" erzogen werden. Dazu gehört es selbstredend auch, mit Rückschlägen umgehen zu lernen. Zu Versagen ist eine wertvolle Erfahrung im Leben eines jeden Menschen. ABER: Es ist ein Unterschied, ob ich in einem Gebiet/einer Tätigkeit versage, zu der ich persönlich eine Beziehung bzw. eine Affinität habe, oder ob ich bei etwas mir absolut wesensfremdem versage.
Beispiel: Nehmen wir an, ich wäre von Beruf Bäcker und ansonsten eher maulfaul und scheu. Jetzt nötigt mich irgend ein gesellschaftlichspolitisch zementierter Anlass dazu, an einem PoetrySlam teilzunehmen und mich dort im Rahmen eines Dichterwettbewerbs in meinen musichen Fähigkeiten bewerten lassen zu müssen. Das Endresultat dürfte sein, dass ich versage. Hat dieses Versagen in irgendeiner Art und Weise eine Aussagekraft über meine allgemeine Wettbewerbsfähigkeit? Nein! Ich back lieber Brötchen und schreib keine Gedichte!
Ein weiterer Punkt, der auch zum Wettbewerbsgedanken gehört: Seit Jahren wird öffentlichkeitswirksam von allen Seiten die Kooperationsschalmei geleiert. Aus allen pädagogischen Trompeten tönt das Hohelied der Teamarbeit, Empathie, Gruppenkoordination etc. Teamkompetenzen wurden inzwischen zum Heilgen Gral der Wettbewerbsfähigkeit erhoben. Ein Konzept wie die Bundesjugendspiele, in dem eher gilt "Alle gegen Alle und The Winner takes it all" wirkt in Anbetracht der allgegenwärtigen Teambeschwörungen erstaunlich antiquiert.
3. Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Für ein erfolgreiches Berufsleben und eine halbwegs einträgliche Zukunft in unserer Gesellschaft ist es absolut unerheblich, wie weit ich springen, wie schnell ich rennen und wie weit ich werfen kann! Sportlichkeit, athletische Performance und physische Stärke werden zum Überleben nicht mehr gebraucht! Man erkennt das häufig daran, dass diejenigen, die außer guter Fitness keine nennenswerten Qualifikationen aufweisen können, meistens am untersten Ende der Nahrungskette landen. Sport ernährt einen Menschen nur dann, wenn er/sie ProfisportlerIn wird oder zur Bundeswehr geht. Ersteres ist ein extrem hart umkämpftes Metier, in dem es inzwischen ohne Doping (mal mehr, mal weniger subtil) keine nennenswerten Errungschaften mehr zu erzielen gibt. Desweiteren schaffen es nur wenige Profisportler, nach ihrer aktiven Zeit ein halbwegs funktionierendes Leben zu führen. Außerdem zeugen die allmonatlichen Nachrichten vom plötzlichen Herztod junger, kerngesunder Profisportler anfang 20 eher vom alten Sprichwort "Sport ist Mord" als vom immer wieder bemühten Kredo "Fit und Gesund". Eine Karriere bei der Bundeswehr...dazu will ich nicht viel sagen müssen. Berufsarmeen sind Unterschichtenmagnete und der einzige Anker für Menschen aus wirtschaftlich ruinösen Regionen. Muss man nur mal nach Michael Wolfssohn + Ossifizierung googlen...
4. Ein einziger, armseliger Tag im Jahr dürfte an der allgemeinen Fitness der deutschen Kinderscharen absolut NICHTS ändern. Vor allem dann nicht, wenn man über 90% der Dauer dieser Veranstaltung mit Anstehen verbringen muss.
Soviel dazu von moi. Die Spiele sind eröffnet, ihr seid gefragt. Was meint die MagicCommunity? Wie steht ihr zu den Spielen? Zu Sport allgemein?
Popcorn gibts links vom Eingang. Bitte fair und sportlich bleiben
Bearbeitet von Mahagon, 23. Juni 2015 - 20:35.