Ich bin ein Relikt, das in einer Zeit geschaffen wurde, in der man "Zeit" hatte. Habe ich in den 90ern Magic gespielt, zumindest nach Mountain-Lotus-Channel-Fireball-tot, habe ich komplexe, lange Spiele genossen, die dann durch meine Langzeitstrategie dennoch gewonnen wurden, oder auch mal verlorengingen. Aber auf der anderen Seite habe ich vor 20 Jahren auch noch entspannter gearbeitet. Irgendwie konnte man damals überleben, ohne 13 Stunden in Maximalgeschwindigkeit zu arbeiten. Heute muss alles schnell und viel sein, Qualität oder Spaß an der Arbeit ist absolut sekundär oder letzterer nur noch erfolgsgetrieben. Überalls starren Menschen, die schnell über Plätze eilen, währenddessen auf Smartphones, um die Laufzeit nicht zu verplempern. Das Leben ist schnell geworden.
Von daher wundert es wenig, dass auch Magic seinen Teil abbekommen hat. Nicht nur lassen sich immer stärkere Karten immer billiger und somit schneller ausspielen, sondern Gegner geben auch immer schneller auf, weil gewinnen anstrengend und zeitaufwändig werden könnte. Was ich meine? Als konkretes Beispiel habe ich in Arena ein eher midrangig angehauchtes Simic-Pauper-Deck gebaut und den Fehler gemacht, am Anfang acht getappt ins Spiel kommende Doppelländer reinzutun. Ich habe kaum was gewonnen, weil ich dadurch, dass Turn 1 oder 2 ein Land getappt ins Spiel kam, zu langsam war für das Format und daher oft Turn 2-3 concedet habe. Andererseits, wenn es mal lief, Lebensstand 20-20, gaben zich Leute auf, weil ich eine anzielbare Kreatur ohne Evasion mit 7/7 auf dem Tisch hatte. WTF? Anderes Beispiel ist der aktuelle Standard. Was hatte ich da kürzlich? Turn 3 Nissa und insgesamt 5 Kreaturen und 5 Länder auf dem Tisch, während ich gerade vorher mein zweites Land gelegt hatte? Wow. Planeswalkerdecks, die schon in Turn 5 das Board mit Planeswalkern so vollmüllen, dass man nicht mehr ziehen, nicht mehr außerhalb von Sorcery-Speed casten kann und außerdem das meiste noch 1 Mana mehr kostet? Wow. Da concede selbst ich, wenn ich keinen Elderspell im Deck hab nach meinem Turn 4. Absichtlich habe ich jetzt nicht von RDW im Standard angefangen. Dazu kommt, dass WotC jetzt sogar im Modern konsistente Turn 2-Kills explizit fördert. Anders kann ich Scale Up mit dem neuen London-Mulligan nicht verstehen. 10 Infect-Schaden in Runde 2 wirds wohl öfter geben. Jetzt sagt ihr klar, da geht's immer um was, aber ich kann die Tendenz auch im Casual-Bereich sehen.
Um zum Punkt zu kommen: Ich habe immer häufiger den Eindruck, dass die meisten es gut finden, wenn sie die Spiele "möglichst schnell hinter sich" kriegen können und den einzigen Spaß aus schnellem Erfolg ziehen, was aber genau so kurzlebig ist, wie das Spiel selbst dann. Sind Spiele nicht etwas, die man zumindest zu Teil als eine Tätigkeit begreifen will, bei der das Spiel selbst Spaß macht, also die eigentlich Spielkomponente nach dem Motto "der Weg ist das Ziel" Spaß machen soll? Dennoch steigt der Eindruck dieses "schnell hinter sich Bringens" in Magic bei mir immer mehr. Paper und Arena, Leute spielen krasses Tempo-Zeug und conceden Turn 0-2, wenn's mal nicht läuft, sofort. Längere Spiele werden selten (wie kürzlich, als ich mit Izzet Drakes (hab mitgezählt) 7 Teferis entsorgen musste, der Gegner drei Mal Good Game gesagt und dann doch nicht gewonnen hat, und ich ihn schließlich mit einem 27/4 Drake mit noch sechs Karten in der Library erflogen habe. Mindestens drei mal hab ich ihn überrascht, indem ich halt einfach das Spiel gespielt habe.) Solche langen Spiele, die können episch sein, da erinnert man sich dran. Es gibt sie schon noch, die langen Spiele - aber sie werden immer weniger. Die 0-5-Turns-Spiele sind schnellebig, zu vergessen, und die Siegfreude hält nicht lange an, eine Art abarbeiten, in Arena in einem ewigen Grind - für ein paar Münzen mehr.
Immer häufiger sage ich zu Freunden: Nimm mal ein anderes Deck, ich würde gerne mal wieder Magic spielen, nicht nur "Draws auswürfeln". Und das passiert sogar bei Commander, wo manche Decks inzwischen auch schneller eskalieren, als man schauen kann. Anders gesagt: Die Zeiten, wo man den teuren Mist im Commander mal spielen konnte, gehen auch dem Ende entgegen.
Auf der anderen Seite aber: Ich lese noch Bücher, obwohl Hörbücher/Filme doch viel schneller und nebenher gehen. Ich wandere noch gemütlich durch die Natur und genieße sie. Ich versuche, in Hobbies bleibendes zu schaffen, Erinnerungen, aus denen ich noch später Freude ziehen kann, so dass sie sich abheben von dem alltäglichen, arbeitsbezogenen Hetzen durch das Leben.
Wie seht ihr das? Entwickeln sich Magic und auch andere Spiele, ich will gar nicht von sowas wie WoW und sowas anfangen , da in eine Richtung, die nur schnellen, vergänglichen Erfolg bringt, und ist das gut und zeitgemäß, oder wäre es wünschenswerter, dass sie die Zeit etwas mehr dehnen, einprägsamer bleiben?
So, genug Wall of Text. Wollte das nur mal irgendwo loswerden. Flamed, oder was man im Internet heute so macht, oder ignoriert es einfach ^^