"Wir müssen für eine langsame Durchseuchung der Bevölkerung sorgen"
Als Jenenser komme ich derzeit in den Genuß, von den sehr frühen, im Bundesvergleich immer etwas strengeren Regularien zur Seucheneindämmung zu profitieren, die unserer Stadtoberen beschlossen haben, denn örtlich sind die Infektionszuwachszahlen in den letzten Tagen immer im sehr niedrigen einstelligen Bereich geblieben (3-5 Leute am Tag bei 100.000 Einwohnern). Ab kommender Woche soll man lokal auch nur noch mit Gesichtsmaske einkaufen dürfen wie in Österreich. Der Mann in dem verlinkten Artikel, immerhin ein Virologe, kritisiert das aber. Blenden wir mal aus, daß der Zugang zu professionell hergestellten Masken derzeit nicht so besonders leicht ist (weshalb auch zu Schals oder Gesichtstüchern geraten wird, für all die Leute, die keine Maske auftreiben können; es soll ja nur einen bestimmten Zweck erfüllen). Die große Frage, die sich stellt, ist aber die nach dem richtigen Ansatz zur Seuchenbekämpfung:
Variante a) Wir hören also auf den Herren Schmidt-Chanasit und nehmen das Ziel in Angriff, die Bevölkerung so langsam zu infizieren, daß für alle Schwerstfälle die Beatmungsgeräte reichen ("Verlangsamung der Epidemie" war auch da erklärte Ziel der Bundesregierung, soweit ich das erinnere). Da sind wir in Jena natürlich schön gelackmeiert, denn mit 5 Neuinfektionen pro Tag brauchen für für 70% der Bewohnerschaft 14000 Tage, also ein halbes Jahrhundert. Und solange bleiben die Schulen zu; rechnet das mal durch. Laut Plan von Herrn Schmidt-Chanasit sind wir ein wenig hintendran und ein zusätzlicher Mundschutz natürlich völlig kontraproduktiv. Eher sollten wir am Ort mal wieder ein, zwei Tage Party machen! Daß der Herr Virologe aber den einen oder anderen zu einem frühen Tod verdammt mit seiner Reißbrett-Strategie, hat er vielleicht nicht fertig ausgerechnet. Denn rechnen wir's mal nicht schön, die gemessene Mortalitätsrate von Wuhan waren 4% (bei einer unbekannten Dunkelziffer an unerkannt gebliebenen Infizierten). Wir sind durch die Verlangsamung und bessere medizinische Aufstellung und auch den täglich sich verbessernden Informationsstand bzgl. der Seuche zwar in einer deutlich besseren Position, aber ein halbes Prozent der Bevölkerung wird schon noch zum Sterben übrig bleiben, das sind bei 70% von 80 Millionen ja aber nur schlappe 550.000, ein sattes halbes Milliönchen, also fünfkommafünfmal Jena; damit kann der Rest von uns doch ganz gut weiterleben. Danke für ihren wertvollen Beitrag, Herr Schmidt-Chanasit, aber ich behalte lieber meinen aktuellen Bürgermeister; der ist möglicherweise der Lebensretter meiner Eltern; genau wird man das hoffentlich nie herausfinden.
Variante b) In weiten Teilen Asiens (China spielt eine wichtige Rolle bei der Formulierung) scheint man die Sache recht gut eingedämmt zu haben. Da tragen die verantwortungsvollen Bürger, die kulturell ungefähr noch 15%-25% allgemeinwohlorientierter sind als ein braver Deutscher wie ich allesamt Gesichtsmasken: Jeder sorgt dafür, daß er selbst keinen anderen infiziert und so hat man die Lungenpest nahezu komplett ausgeladen. Betonung hier auf "nahezu", nicht auf "komplett." Denn man sitzt natürlich ein wenig in der Falle, ökonomisch gesehen. Es gibt immer noch einzelne Infizierte, die man gar nicht findet, weil die Symptome zu schwach sind. Vermutlich laufen sich aber die Infektionsketten mittelfristig im Inland tot. Aber dann leider die Leute von außerhalb: Da wollen ja so einige ins Land von außerhalb, um Handel zu treiben und ähnliches. Aus Ländern wie Deutschland, die's nicht so ganz ernst nehmen wie ein Wuhan-Chinese, indem sie nämlich keine Masken tragen; und auch noch in weiten Teilen des Landes die Lungenpest verlangsamt voranschreitet. Die müssen jetzt erstmal draußen bleiben. Ein Land kann so heutzutage aber nicht mehr besonders gut allein wirtschaften, das ist ein Problem. Ihr wißt, was ich meine. Eine Vision könnte jetzt sein für so ein ein Land, das für sich selbst die Seuche "besiegt" hat, primär nur noch mit Ländern zu handeln, die das ebenfalls geschafft haben. Und im günstigsten Fall extrem verschärfte Quarantäne-Schleuse-ähnliche Beziehungen zu Ländern zu unterhalten, die ihre Infektionen halbwegs im Griff haben. Sonst schleicht sich das Virus leider wieder ein und der ganze Spaß geht von vorne los; das kann niemand wollen.
Variante c) Ich weiß, was die alten Spartaner gemacht hätten, wenn sie von einer Seuche gehört hätten, die ihnen die Alten und Gebrechlichen abnimmt. Ich bin sehr froh, daß wir in einer anderen Welt leben dürfen, aber es wird dennoch in den kommenden Wochen Länder geben, denen blüht ungewollt exakt dasselbe Schicksal. Einige davon werden von Trotteln regiert, die sie selbst gewählt haben, andere haben einfach Pech. Das Groteske daran aber: Die haben hinterher dann Glück! Die kommen nämlich am frühesten raus aus der Geschichte, weil alle, die überleben dürfen, den großen Schrecken ab einer gewissen Stelle einfach hinter sich haben. Die haben dann ihre 70%ige Durchseuchung und ich möchte an der Stelle den Herrn Schmidt-Chanasit freundlich bitten, bei der Gelegenheit in eines dieser Länder überzusiedeln und bitte auch nicht zurückzukehren. Diesen Braintransfer können von Trotteln regierte Länder gut gebrauchen.
Aber so rein wirtschaftlich müssen sich die Corana-überrannten Staaten hinterher nur noch um die Beerdigungen kümmern. Die werden nicht die Kosten für ständige Vorbereitungen und Schutzmaßnahmen gegen die Möglichkeit eines neuerlichen Seuchen-Ausbruchs schultern müssen und können handeln mit jedem, der mit ihnen handeln mag. Zum Glück für alle Länder aber, die es dennoch schaffen, das Virus aus ihren Grenzen herauszudämmen, besteht aber am Ende immer noch die Aussicht auf _da Cure_: das Heilmittel, die Impfung, damit wir alle für die infektiöse Zukunft gefeit sind, ohne auf dem Weg dahin eine halbe Million Teilnehmer unserer Sprachgemeinde zu verlieren.
Edel sei der Mod, hilfreich und gut.