Da bin ich auf jeden Fall mal gespannt auf deine Erfahrungsberichte. Bisher habe ich noch nie erlebt, dass jemand direkt mit Commander in Magic als Spiel generell gestartet ist - normalerweise geht dem erstmal eine mittelfristige Casual-Timmy-Phase voraus, in der man sich erstmal mit roten und grünen Casual-Decks verkloppt, dann kommt recht zügig Weiß dazu, dann Schwarz, als letztes Blau.
Das Hauptproblem ist dabei weniger die Komplexität von Regeln wie der Command Zone, oder solche kleinen, simplen Änderungen wie "40 statt 20 Leben" etc. Vielmehr ist es die Kombination aus 100 Karten + Singleton: Ein Anfänger kennt natürlich generell noch wenig Kartennamen, spielt höchstwahrscheinlich erst einmal mit einem fremden Deck, und muss daher jede Karte lesen, die er zieht. Bei einem gut gebauten Casual-Deck mit vielen Playsets muss er im Idealfall bei z.B. 24 Ländern und 36 Spells nur 9 verschiedene Karten kennen. Bei einem Commander-Deck hingegen ist absolut alles neu, was auf die Hand kommt. Da fällt es deutlich schwerer, vorauszuplanen, wenn das eigene Deck im Prinzip eine komplette Wundertüte ist.
Das rot-grün-weiße (also von der Verpackung her grüne ) Ghired-Deck ist sicherlich verhältnismäßig simpel, allerdings entgegen meiner ursprünglichen Annahme nicht besonders spielstark. Zu oft sitzt man in Situationen fest, in denen man keine Tokens hat, um die Maschine in Gang zu bringen. Ghired, Conclave Exile bringt zwar ein Token mit, sobald man ihn spielt - aber wenn der Gegner schlau ist, schießt er einem nicht den Commander ab, wie in den meisten anderen Spielen, sondern dieses eine Token. Dann hat das Deck schlagartig wenige Möglichkeiten abseits von seinem Commander, neue Tokens zu erzeugen.
Dem blau-rot-weißen Sevinne-Deck geht auch oft die Puste aus - ja, es gibt Kreaturen, die einen davon profitieren lassen, Nichtkreaturenzauber zu spielen. Deren Effekte sind aber verglichen mit der Anzahl der gespielten Spontanzauber und Hexereien vernachlässigbar. Guttersnipe und Burning Vengeance sind schon zwei der besseren, die 2 Schaden bringen einen trotzdem nur langsam weiter. Selbst Secrets of the Dead und andere Kartenzieher ziehen einem vor allem... weitere Kartenzieh-Zauber. Das Deck kann einfach nicht den Sack zumachen, es sei denn, es findet seine Zetalpa, Primal Dawn.
Das Morph-Deck spielt sich schön flüssig, es hat allerdings etwas zu viele kleine Morph-Kreaturen mit vernachlässigbaren Effekten und zu wenige Morph-Finisher. Da hätten Kreaturen wie Krosan Cloudscraper, Quicksilver Dragon und Liege of the Pit noch gut getan.
Am stärksten von den 2019er-Decks war in meinem Test tatsächlich das schwarz-rote Madness-Deck. Da musste selbst ich aber schon immer wieder innehalten, um einen Überblick über die ganzen Trigger zu haben, und wann genau ich Anje Falkenrath jetzt wie oft enttappen kann etc. Definitiv absolut nichts für EDH-Anfänger, von generellen Magic-Anfängern ganz zu schweigen.
Von 2018 hat das Lord Windgrace-Deck nicht genug Payoffs für sein Länder-Thema. Zu oft floodest du einfach nur sinnlos, und ja, du kannst ein Land mit Windgrace in zwei Karten umwandeln - die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass das auch wieder nur Länder sind.
Saheeli, the Gifted ist noch vergleichsweise simpel und mMn auch das stärkste Deck aus der Box, was 2018 angeht. Allerdings kann es für Anfänger sehr schwierig sein, die ganzen Interaktionen und Synergien zwischen den verschiedenen Artefakt- und Artifacts Matter-Zaubern zu finden.
Estrid, the Masked ist zwar eigentlich schön Timmy-freundlich, weil die Verzauberungen halt große Kreaturen erzeugen. Ihre Fähigkeit ist allerdings relativ komplex, denn sie baut darauf, dass man eine andere Fähigkeit, nämlich Totem Armor, bereits kennt, und gibt dieser Fähigkeit dann nochmal ihren eigenen Twist. Für Anfänger sind jedoch alle Fähigkeiten neu, und wenn man Totem Armor noch nie in "normaler" Form gesehen hat, dann dürfte das hier ziemlich verwirrend sein.
Aminatou, the Fateshifter würde ich als "top of the library matters" bezeichnen. Zu viel Hick-Hack, zu unfokussiert zwischen Deckmanipulation und Blink-Effekten, definitiv nicht für Anfänger geeignet.
Was du bei Anfängern halt generell vermeiden willst, ist, dass sie dem Mythos verfallen, Magic sei komplizierter, als es eigentlich ist. Klar ist es kein einfaches Spiel, aber so komplex, wie viele Außenstehende es gerne sehen, ist es dann auch wieder nicht. Es kann allerdings schnell das Gefühl entstehen, das Spiel sei zu komplex, wenn man zu früh in seiner "Karriere" mit zu viel Information, teilweise auch widersprüchlicher, überfrachtet wird.
Willst du einen Anfänger mal komplett verwirren? Tappe einen gerade ins Spiel gekommenen Elvish Mystic (=mit Summoning Sickness), um ein Gather Courage zu spielen - mit Convoke, anstatt zu erzeugen, geht das ja. Viel Spaß dabei, das zu erklären, ohne dass die Person denkt, du würdest schummeln und dir spontan die Regeln zurechtbiegen!
Was allerdings helfen könnte: Hat deine Freundin zufällig mal im Verein Schach gespielt?
Meiner Erfahrung nach finden Schachspieler wesentlich schneller in Magic hinein als andere - die Karten kennen sie zwar genausowenig, aber sie sind es zumindest schon einmal gewohnt, ihre Augen überall gleichzeitig zu haben, mehrere mögliche Interaktionen und zukünftige Moves vorherzusehen, und sich dafür ggf. auch mehrere Figuren bzw. in dem Fall Karten zusammen zu merken (Chunking), um nichts zu übersehen.
Das ist eine Fähigkeit, die man mMn im Commander noch viel stärker braucht als in 1-on-1-Turnierformaten, einfach weil die Boardstates so viel größer und komplexer sind und es so viel mehr Freiheitsgrade gibt (mehr Permanents, mehr Handkarten, mehr Friedhöfe, mehr Bibliotheken usw.).
Bearbeitet von Strato Incendus, 10. September 2019 - 11:03.