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Intelligenz und Magic

Geschrieben von Ghoul, 09. April 2013 · 1.643 Aufrufe

Wisst ihr, welches mein Lieblingsumfrageergebnis ist?

75% aller Menschen halten sich für überdurchschnittlich intelligent.

Ich weiß nicht mehr, wo ich diese gesehen habe oder ob diese Umfrage überhaupt wissenschaftlich war. Aber ich halte diese Ergebnis für realistisch und ich möchte es glauben. Es ist nicht nur amüsant, es hilft mir, die Gesellschaft, die Welt und die Menschen zu verstehen. Und manchmal spendet es mir Trost und hilft mir, meine Ruhe zu bewahren. Zum Beispiel in Situationen, in denen ich mir denke: "Er kann ja nichts dafür, er müsste ja intelligent sein um zu begreifen, dass er dumm ist..."

Nun vermute ich mal, dass sich diese Umfrage auch auf Magic übertragen lässt. Ich stelle mal die These auf, dass sich (mind.) 75% aller Magicspieler als einen überdurchschnittlich guten Magicspieler empfinden. Dies lässt sich psychologisch auch ziemlich leicht erklären...

Spieler gewinnt -> "Mein Plan, Kreatur X und nicht Y zu spielen ist voll aufgegangen und im zweiten Spiel hab ich dann voll klug gesideboardet."
Spieler verliert -> "Ich musste ja auch ´n Mulligan auf fünf nehmen und im zweiten Spiel hat mein Gegner sich total durchgeluckt, mehr Glück als Verstand, der Kerl..."

Derartiges findet sich auch bei den Tunier- und Spielberichten hier im Forum, aber ich möchte mich da auch nicht rausnehmen. Das ist normal und menschlich. Wie auch die Tatsache, dass nach einem Prerelease die Leute, die 6-0 oder 5-1 gehen wesentlich mehr über die Spiele schreiben, als die Leute, die mit 1-5 oder 0-6 nach Hause gingen.

Aber wie viel hat Magic eigentlich mit Intelligenz zu tun?
Man könnte nun meinen, sehr viel. Es ist ein hochkomplexes Spiel, man muss beim Deckbau irrsinnig viele Faktoren beachten, man muss überlegen, welche Decks der Gegner spielt, was er auf der Hand haben könnte, wie ich die Karten Spiele oder angreife, was ich selbst als nächste Karte ziehen könnte...

Ich glaube aber, Intelligenz ist wirklich nur ein verhältnismäßig kleiner Anteil von dem, was einen guten Spieler ausmacht. Der Löwenanteil der eigenen Stärke (oder Schwäche) ist Erfahrung.

Ich würde das gerne mit Speedcubing vergleichen. Und nein, diesmal meine ich nicht Magic, sondern dies hier: http://de.wikipedia....iki/Speedcubing (gibt es Speedcubing eigentlich bei Magic? Wäre witzig...)

Jeder, der einmal einen Zauberwürfel in der Hand hatte, weiß, dass die Dinger knifflig zu lösen sind. Und tatsächlich haben die ersten paar Lösungsversuche noch mit Intelligenz zu tun, denn je schneller ich meine Fehler erkenne und korrigiere, desto schneller ist mein Lernprozess. Professionelle Speedcuber machen aber keine Fehler. Sie haben die Algorithmen erkannt. Sie denken nicht mehr, sie reagieren automatisiert und reflexartig auf die Farben. Es gibt feste Bewegungsabläufe.

Auch beim Schach "überlegt" nur ein Anfänger. Professionelle Schachspieler haben bis zu 100.000 feste Spielzüge und Brettsituationen im Kopf. Dies soll nun nicht heißen, dass es nur um stumpfes auswendiglernen ginge... ...aber es ist ein Teil des Spiels. Die Spieler denken nicht darüber nach, ob ihre Figuren gedeckt sind, sie versuchen eher den "Taktikmodus" des Gegner herauszufinden und dann eventuell zu bluffen oder eine der weniger bekannten Zugfolgen zu nutzen. Natürlich gibt es Schachmeister mit einem irrsinnig hohen IQ, aber es gibt auch solche Großmeister mit einem eher durchschnittlichen IQ. Zudem gibt es kognitive und intuitive Schachspieler. Es soll nur zeigen, dass die Denkvorgänge eines Profis nicht die eines Anfängers sind.

Ebenso ist es bei Magic. Wenn der Gegner im T2 vier Mana offen lässt und Deck XY mit einem Restoration Angel spielt, ist es keine sonderliche Intelligenz, damit zu rechnen. Selbst eine gehirnamputierte Bergziege würde dies verstehen, zumindest, wenn sie ein- bis zweimal in diese "Falle" reingelaufen ist. Die Frage ist, wie ich diesen Umstand bewerte. Kann ich es mir leiten, mit meinem 3/3er anzugreifen und das zu riskieren? Aber auch darüber müsste man irgendwann nicht mehr nachdenken... ...irgendwann sagt auch hier die Erfahrung, bei welchen Boardkonstalationen dies eine Option wäre und wann nicht.

Nun ist Magic nicht 100%ig mit Schach oder Speedcubing vergleichbar. Es kommen neue Karten hinzu (die Firma die Schach erfunden hat, würde wesentlich mehr Profit machen, wenn sie alle vier Monate neue Figuren mit neuen Sonderregeln rausbringen würde), dass Meta ändert sich ständig und das Spiel ist teilweise doch glücksabhängig. Aber ich denke, entsprechende Automatismen bilden sich auch bei Magic aus.

Der Neurologe Anders Ericsson hat hier einmal eine 10.000-Stunden-Regel formuliert. So brauche man - relativ unabhängig von der eigenen Intelligenz - etwa 10.000 Stunden Übung um in einem Bereich, sei es Schach, Klavier spielen oder anderes, eine besondere Begabung zu entwickeln. Wunderkinder gäbe es nicht. Intelligente Menschen machen zwar in den ersten 100-300 Stunden schneller Fortschritte, doch gleichen sie sich dann in ihrer Lerngeschwindigkeit sehr schnell den "normal intelligenten" an, weshalb irgendwann kein unterschied mehr in den Leistungen besteht.
Vielleicht ist dies ja das Geheimnis der Profispieler. Meine 10.000 Stunden Magic habe ich glaube ich noch nicht voll, aber ich erwarte dann genau in dieser Stunde ein transzendentales Erlebnis und teile euch dann mit, wie das so ist mit der Erleuchtung und so...

der Ghoul




schön, dass du das auf so viel münzt. ich behaupte, dass das auch bei körperlichen Aktivitäten & Vorgängen (bspw. beim Sport wie Handball, Fußball, Tischtennis) so ähnlich abläuft, auch, wenn ich das in keinster Weise gleichsetzen möchte, von der Art & Weise her. aber sehr interessanter Gedankengang, über sowas denke ich auch oft nach, vermutlich, weil ich bei vielen "Wettbewerben" gerne mitmache, und zwar auf effiziente Art & Weise. da ist so ein Wissen elementar (die Antwort auf die Frage nach dem "Wie").

auch schön mit der Einleitung und den Anspielungen darauf durch die eigenen Bewertungen im Text.. :D
und nette Kritik.
Die Idee finde ich an und für sich v.a. aufgrund der Vergleiche nicht schlecht, aber es ist leider ziemlich oberflächlich, da du dich scheinbar mit dem Thema Intelligenz nicht sonderlich auseinandergesetzt hast. Du übersiehst dabei, dass es "Die Intelligenz" nicht gibt, es gibt unterschiedliche Faktoren und Fähigkeiten, die man in der Öffentlichkeit als Intelligenz/IQ bezeichnet, in der Wissenschaft wird da aber diversifiziert.

Der Löwenanteil von MTG ist imo nicht Erfahrung, sondern die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen sowie die Fähigkeit Informationen zu akkumulieren und zu filtern, bzw. situativ anzuwenden. In deinem Bsp. mit dem Engel ist nicht die Frage ob der Gegner ihn spielen kann, sondern welche AUswirkungen es auf das Board hätte, wenn er es täte, wie du reagieren könntest und wie warscheinlich es ist, dass er ihn hat, da geht es eben v.a. um Entscheidungen & Bewertungen. Erfahrung hilft hier die Situation zu erkennen, aber nur bedingt sie zu bewerten & das gelernte anzuwenden.
Natürlich weiß ich, dass es verschiedene Arten von Intelligenz gibt (räumliche, sprachliche, emotionale, logische, taktische, Bauernschläue, Fachwissen...) und diese sich nicht in IQ, Schulnoten oder sonstigem messen lässt. Aber das wäre zu differenziert geworden. Hätte ich aber erwähnen können, vielleicht setze ich mich auch irgendwann nochmal damit auseinander, was man davon zum Spielen braucht.

Ich glaube, die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen und Erfahrung sind sehr ähnlich und bedingen sich. Und ich glaube, "das gelernte anzuwenden" ist auch irgendwann ein automatisierter Prozess. Aber wenn man 50mal in dieser Situation war und das im Geiste durchgespielt hat, entwickeln sich irgendwann Automatismen. (Wieviele Kreaturen habe ich und der Gegner? Wieivel Schaden würde ich machen, wenn ein Engel kommt? Wieviele Engel sind schon im Friedhof? Was könnte außer dem Engel kommen? (...)). Vielleicht entwickeln sich diese Automatismen bei sehr intelligenten Menschen schon nach 35mal und bei anderen erst nach 120mal. Und vielleicht kann man Erfahrung auch als eine bestimmte Art von Intelligent ansehen.

Ich möchte nur sagen, dass dieses "guter Magicspieler = intelligent", "schlechter Magicspieler = dumm" - ich habe manchmal das Gefühl, dass viele so denken - falsch ist. Der Speedcuber, der das Ding in 10 Sekunden löst, kann dies, weil er es Tausende male gemacht hat und nicht mehr denkt. In anderen Bereichen ist er so klug oder dumm wie jeder andere Mensch auch...
Ich gehöre wohl zu den 25% da ich mich, nicht zuletzt wegen meiner Vergesslichkeit, für einen recht miesen Magicspieler halte... ich profitiere hier am ehesten von Erfahrungswerten, der Engel kann also ebenso Snapcaster + X oder eine "verzweifelte" Revelation für 1 sein und nicht zuletzt kann man das Spiel auch einfach verlieren weil man an den Restoration Angel geglaubt, und demzufolge aufgehört hat Druck zu machen.

Es gab mal einen netten Artikel von Craig Wescoe (schauder) zum Thema "Multilevel Thinking".

Ontopic: Das Thema ist natürlich sehr vielschichtig und in einem anderen Kontext kann man das sicherlich als Doktorarbeit aufziehen. Als Blog jedoch finde ich den Umfang angemessen, es liest sich angenehm und es ist eine Pointe vorhanden. Gefällt mir.
Der Unterschied ist aber nunmal, dass der Speedcuber oder der Schachspieler immer und immer wieder die exakt gleiche Situation vorfinden und so entsprechend "auswenig lernen" können, im Fall von MTG ist aber eine Art Transferleistung notwendig. Auch wenn deine Konklusion nicht falsch ist, denn sie besagt de facto nur, dass Talent nicht alles ist, halte ich die Aussagen, dass sich kognitive Fähigkeiten durch Repitition in MTG weitesgehend erübrigen aber für weitesgehend haltlos, weil man eben nicht x mal EXAKT die gleiche Situation durchspielt, sondern die Umgebung eben dynamisch ist, auch wenn "Erfahrung" natürlich die Entscheidungsprozesse erleichtert, wenn ich aber daran denke, was für Brainstorms oder Ponder ich von Leuten gesehen habe, die seit 6-7 Jahren MTG spielen wird mir schlecht und das ist meiner Erfahrung nach ehr die Regel als die Ausnahme. Es kommt zudem ja auch drauf an, wie man die Zeit die man für das Spiel aufwendet nutzt, faustregeln halte ich da für schwierig.
Worauf basieren denn Entscheidungen? Sofern es mich betrifft, werden meine Entscheidungen sehr stark von meinen Erfahrungen beeinflusst, wenn sie nicht gar darauf basieren!
Jemand der keine Erfahrungen macht oder nicht in der Lage ist, sich diese zu merken beziehungsweise zu nutze zu machen, wird auch nicht besser (Bsp.: Man lernt nicht aus Fehlern).
Wie dem auch sei, hier lässt sich drüber streiten und ich möchte auch keine unnötigen Diskussionen beginnen. :)

In jedem Fall ein sehr schöner Blog! Habe Ihn gern gelesen und hoffe da kommt noch mehr!
Gruß
Poly
Ich finde den Blog ziemlich stark, da er den romantischen Gedanken bedient, dass eine untalentierte Person, vielleicht auch mit ausgeprägtem Handicap, mit viel Training das Level eines Profis erreichen kann.

Mein erstes Jahr Magic auf Turnierebene war bspw. grauenhaft. Zwar habe ich ausschließlich competitive Listen ohne spielereien gespielt, aber was ich damit auf die Rübe bekommen habe, war nicht mehr feierlich. Einzig die Erfahrung und Recherche hat mich mMn nach in mittlerweile befriedigende Ergebnisse stolpern lassen: bei Belcher auf das vierte Mana countern, ein Mana offen lassen wenn LftL in Grave liegt, einen Mystic nicht blind und unprotected auf's Board klatschen und, und, und...

Cantrips spiel ich dafür teilweise immer noch als gäb' es dafür'n Freibier^^

5 Sterncha'
Hat mir gut gefallen und "erwarte" mehr davon. ;)
*Intellenz

jetzt heißt es grinden, grinden, grinden was die Eieruhr hergibt!
Sehr schöner Beitrag. Der Sache mit den Automatismen kann ich mir durchaus gut vorstellen. Das würde beispielsweise erklären, warum man mit dem gleichen Deck öfter verliert, wenn man in ein fremdes Meta einsteigt oder warum selbst einigermaßen erfahrene Spieler nicht immer richtig mit Karten umgehen können, gegen die sie noch nie oder nur sehr wenig vorher gespielt haben.
Ist halt Basiswissen. Lazo hats bereits näher erläutert bzw genauer justiert.
Das Schwierige ist hier, der Allgemeinheit beizubringen.

Blog ist okay. Hätte gerne genauer erläutert gehabt und wichtige Aussagen mit Quellen versehen. Gerade die Studie von Ericcson ist sehr interessant imd umtermauert teilweise die Aussage.
Finde es eingen guten Blog, vor allem im Bild sonstiger Blogs :)

Übrigens ist es theoretisch möglich, dass 75% der Menschen klüger/intelligenter/... sind als der Durchschnitt ;)

Natürlich weiß ich, dass es verschiedene Arten von Intelligenz gibt (räumliche, sprachliche, emotionale, logische, taktische, Bauernschläue, Fachwissen...) und diese sich nicht in IQ, Schulnoten oder sonstigem messen lässt.


Interessant, dass du das weißt, das sehen nämlich Intelligenzforscher in der Regel anders. :)

Bauernschläue ist im Übrigen in meinen Augen nur ein anderes Wort für "Dreistigkeit", zumindest tritt dieses Wort sehr häufig im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen auf.

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