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T2-Deckbau-Tutorial 1: Inspiration und Strategie

Geschrieben von Ghoul, 11. Juni 2013 · 7.928 Aufrufe

Da meine (überraschend gut verlaufende) Prüfung endlich vorbei ist und ich nun wieder so etwas wie "Freizeit" habe, wollte ich etwas in Angriff nehmen, was mir schon länger im Kopf rumschwirrte:
 

Das T2-Deckbau-Tutorial

 

Was soll dieses Tutorial?
Das Tutorial richtet sich in erster Linie an FNM-T2-Spieler, die keine Lust haben, einfach Listen aus dem Internet zu kopieren und lieber eigene kreative (und effektive) Decks zu erstellen. Einsteigern soll es eine feste Struktur an die Hand geben und ermöglichen, passable erste Eigenkreationen zusammenzustellen. Auch Fortgeschrittene werden an der ein oder anderen Stelle vielleicht noch hilfreiche Tipps finden. Zudem lassen sich einige Vorschläge sicher auch auf Casual-Decks oder (ohne Gewähr) für andere Formate anwenden. Ich habe mich allerdings für T2 entschieden, da ich mich in diesem Format zum einen am besten auskenne und zum anderen es auch das Format ist, in dem aufgrund häufigerer Rotationen wohl am meisten neue Decks erstellt werden.
 
Inhalt des Tutorials
Eventuell wird sich der genaue Ablauf noch ändern, aber geplant sind erstmal folgende Abschnitte:
 
Kapitel 1: Inspiration und Strategie
Kapitel 2: Farbwahl und Kartenpool
Kapitel 3: Reduktion und Quantitäten
Kapitel 4: Manabasis und Manakurve
Kapitel 5: Erster Entwurf und Überarbeitung

Kapitel 6: Das Meta und Sideboard
Kapitel 7: Testspiele und Optimierung
Anhang A: Wie baut man Budget-Decks?
Anhang B: Tipps für Aggro- und Blitz-Decks
Anhang C: Tipps für Tempo- und Aggrocontrol-Decks
Anhang D: Tipps für Midrange-Decks
Anhang E: Tipps für Control-Decks
Anhang F: Tipps für Combo-Decks
 
 
 


Kapitel 1:

Inspiration und Strategie

 
Im ersten Kapitel wird es darum gehen, eine erste konkrete Idee für das Deck zu entwickeln. Mit "Ich möchte irgendwie Sorin, Lord of Innistrad spielen", "Am liebsten spiele ich Aggro-Decks, habe aber keine Lust mehr auf RDW" oder "Ich bin totaler Azorius-Fanboy, aber Sphinx' Revelation ist mir zu teuer" lässt sich nur wenig anfangen.
Konkrete Ideen wären hingegen:
"Ein Token-Deck mit Sorin, Lord of Innistrad und Lingering Souls"
"Ein Simic-Blitz-Deck mit Experiment One und Cloudfin Raptor"
"Ein WU-Human/Weenie-Deck mit Champion of Parish und Lyev Skyknight"
Darauf lässt sich aufbauen, damit lässt sich weiter arbeiten. Wir brauchen also erstmal die grobe Deckstrategie und 2-4 elementare Karten für das Deck, bevor wir weiter arbeiten und alle anderen Entscheidungen treffen.
 
 
Karten als Inspirationsquelle
Es gibt viele Möglichkeiten, sich für neue Decks inspirieren zu lassen. Eine Möglichkeit ist sicher, sich durch diverse Internetforen und Deckseiten zu arbeiten. Oder man ist verblüfft von interessanten Decks, gegen die man einmal gespielt hat. Hier besteht aber die Gefahr, dass man die Decks einfach übernimmt und lediglich 5-8 Karten austauscht. Lehrreicher für grundlegende Deckbau-Fähigkeiten ist es, ein Deck "from the scratch" zu bauen.
Also schnappt man sich seinen T2-Kartenpool (oder geht auf magiccards.info). Dann grenzt man diesen ein. Wenn man z. B. Aggro spielen möchte, braucht man sich Karten für 5 oder mehr Mana nicht ansehen. Und wenn man schon weiß, dass das neue Deck rot-weiß werden soll, sieht man sich in erster Linie diese Karten an.
Nun sucht man sich aus diesem Kartenpool zunächst eine interessante Karte. Interessant ist eine Karte für den Deckbau, wenn sie sich von anderen Karten grundlegend unterscheidet und sie eine spezielle Eigenschaft hat, die man ausnutzen kann oder aus der sich viele mögliche Synergien ergeben. Towering Indrik wäre z. B. nicht interessant. Sobald man sich in eine Karte verliebt hat, stellt man sich die goldene Frage: "Was will diese Karte?"
 
 
Kartenanalyse: "Was will diese Karte?"
Diese Frage ist die grundlegende Frage, nicht nur für unsere erste Karte, sondern auch für jede weitere, die ins Deck kommt. Hinter diese recht allgemeinen Frage verbergen sich eine Menge Teilfragen, z. B.:
"Was kann diese Karte?"
"Wie schnell ist diese Karte?"
"Welche Probleme löst diese Karte?"
"Ist die Karte eher offensiv oder defensiv?"
"Wie kann ich eventuelle Nachteile dieser Karte umgehen?"
"Mit welchen anderen Karten oder Fähigkeiten synergiert die Karte?"
"Welche 'Feinde' hat diese Karte?"
etc.
Am Ende dieser Überlegungen blidet man ein Fazit unter der Überschrift "Mögliche Decks für diese Karte".
Ich mache dies mal konkret an einigen Karten.
 
Beispiel A: Experiment One
Eingefügtes Bild
 
Was will diese Karte?
  • Sie möchte in Runde 1 gespielt werden, d. h. wir brauchen ein "grünes Land" auf der Starthand, welches ungetappt ins Spiel kommt. Grün darf also nicht eine "Splashfarbe" sein, sondern mind. 50%, besser 60-100% unserer Länder sollte grünes Mana produzieren können. (Mehr hierzu in Kapitel 3: Manabasis und Manakurve)
  • Sie möchte möglichst schnell wachsen. Das Deck muss also möglichst viele Kreaturen spielen.
  • Das Experiment möchte aggressiv sein. Damit dies gelingt, sollte es in Runde 2 mindestens 2/2 sein, spätestens in Runde 3 zu einer 3/3er werden. Wir brauchen also im CC2-Bereich viele Kreaturen, die dies bewerkstelligen können.
  • Die Kreatur ist ein "human", synergiert also mit Champion of Parish, Mayor of Avabruck oder Kessig Malcontents (...).
  • Die Kreatur arbeitet mit +1/+1-Marken, d. h. sie synergiert mit Corpsejack Menace oder Bred for the Hunt
  • Die Karte synergiert mit Undying-Kreaturen, wie Strangleroot Geist oder Young Wolf, da diese beim sterben wieder die "Evolve-Fähigkeit" des Experiments triggern.
Mögliche Decks für diese Karte: 
Beispiel B: Sorin, Lord of Innistrad
Eingefügtes Bild
 
Was will diese Karte?
  • Offensichtlich sollen wir schwarz und weiß spielen... ...die Farbkosten sind aber splashbar, so dass auch eine dritte Farbe möglich ist.
  • Die Karte kommt in Runde 4, möchte aber beschützt werden (da ein einzelner 1/1 Blocker nicht reicht, wenn der Gegner Runde 1-4 jeweils eine Kreatur gelegt hat). Daher müssen wir entweder Pointremoval oder Massremoval spielen oder eine eigene Defense aufbauen.
  • Die Karte produziert Token, d. h. sie würde mit Intangible Virtues oder Parallel Lives synergieren.
  • Die Karte produziert Vampire, d. h. sie würde mit Vampire Nocturnus, Stromkirk Captain oder Bloodline Keeper synergieren.
  • Die Karte produziert Kreaturen mit Lifelink, d. h. sie ist brauchbar gegen Aggro und synergiert mit Rhox Faithmender und ähnlichem.
  • Die Karte synergiert mit Massremoval, da wir nach jedem Supreme Verdict wieder einen neuen Chumpblocker generieren können.
  • Die zweite Fähigkeit ist besser, wenn wir nicht eine große, sondern mehrere kleine Kreaturen kontrollieren.
Mögliche Decks für diese Karte:
  • Control-Decks mit ordentlich Massremoval, welche diese Karte als (möglichen) Finisher spielen.
  • midrangige Vampirdecks, welche diese Karte als Absicherung gegen Massremoval spielen
  • midrangig-controllige Lifegain-Decks, welche den Rhox Faithmender oder Obzedat, Ghost Council nutzen.
  • Token-Decks, welche insbesondere die zweite Fähigkeit im Blick haben.
 
Die zweite, dritte und vierte Karte
Sobald man eine Karte gefunden hat, die dem eigenen Spieltyp entspricht, fällt es leicht, die ersten weiteren Karten zu finden. In der Regel hat man sich nun schon Gedanken gemacht, welche Karten besonders gut synergieren würden oder welche möglichen Decks einen besonders ansprechen. Interessiert man sich beispielsweise für den Token-Aspekt von Sorin, Lord of Innistrad, wären Lingering Souls, Intangible Virtues oder Gather the Townsfolk gute weitere Karten. Packt man nun noch 23-24 Länder dazu, hat man schon mehr als die Hälfte eines Decks zusammen. Nun ist es Zeit, die Strategie des ganzen zusammenzufassen, bzw. zu konkretisieren.
 
 
Die Strategie
Um die Strategie eines Decks zu beschreiben, muss man eigentlich nur folgende simple Frage beantworten:
"Wie wird das Deck wann und wodurch gewinnen, was macht es bis dahin und warum hat es dann noch nicht verloren?"
Vor allem das "wann" ist hier entscheidend. Ein häufiger Anfängerfehler ist: "Ich spiele ein Aggro-Deck, aber falls es mal länger dauern sollte habe ich auch noch Moonveil Dragon im Deck, ich spiele ja viele Kreaturen" oder "In meinem Grixis-Control spiele ich auch den Delver of Secrets, damit ich am Anfang auch schonmal ein wenig Druck mache."
Um solche Fehler zu vermeiden, kann man sich grob an den Decktypen orientieren:
 
Blitz:
Diese Decks spielen etwa 19-21 Länder, fast ausschließlich Karten im Manabereich 1-3 und wenige Nicht-Kreaturen. Ziel ist es, den Gegner in den Runden 3-5 in die Knie zu zwingen. Man reagiert kaum auf den Gegner, man agiert und dieses nach Möglichkeit so schnell, das der Gegner keine Chance hat, passende Lösungen zu finden. Das Deck verfolgt die Strategie "Hau deine Hand möglichst schnell auf den Tisch, greife jede Runde mit allem an, was du hast, volle Offensive". Jegliche Form von Carddraw, Countern, Artefaktremoval oder ähnlichem ist in diesem Deck falsch und mindert die Offensivkraft. In diesen Decks gibt es keinen wirklichen "Lategame-Plan": Der Plan ab Runde 6 lautet: "Hoffentlich habe ich in den ersten fünf Runden 17 Schaden gemacht, damit ein nachgezogener Boros Charm oder eine Haste-Kreatur reicht..."
 
Aggro:
Aggro-Listen spielen meist 21-23 Länder und sind im Schnitt etwa eine bis zwei Runden langsamer als Blitz-Decks. Auch wenn sich diese eine Runde nach wenig anhört, ändert sich hierdurch jedoch sowohl für die Spielweise als auch für den Deckbau so einiges. Zum einen sind hier auch einige Karten (ca. 4-6) mit Manakosten von 4 zu finden. Man geht nicht zwangläufig "All In", wie in Blitz-Decks und hat auch Siegoptionen, wenn der Gegner in Runde 3-4 mal mit Supreme Verdict, Mutilate oder Terminus das Board leer macht. Auch wenn man hier keinen direkten Carddraw spielt, so wären Karten wie Hellion Crucible oder Chandra's Phoenix (kommt in M14 wieder) als Plan B möglich.
 
Tempo:
Tempo-Decks spielen eine schnelle Mischung aus Aggro- und Controlelementen. Meist spielt man 21-23 Länder, die Manakurve endet bei 3, spätestens bei 4. Während Aggro-Listen aber in Runde 1-4 durchgängig den Druck aufrecht erhalten wollen und mehr Kreaturen spielen, spielen Tempo-Decks nur wenige Kreaturen (ca. 12-16) mit Manakosten 1-3, die entweder wachsen oder ein sehr gutes Schaden-Kosten-Verhältnis mitbringen, so dass auch 1-2 Kreaturen ausreichen, um den Gegner zu töten (z. B. Delver of Secrets, Stromkirk Noble, Quirion Dryad, Nivmagus Elemental, Geist of Saint Traft (...)). Sobald diese "Mini-Finisher" liegen wechselt man in den Control-Modus: Man beschützt die Kreaturen mit Countern, bounct gegnerische Kreaturen oder spielt Pointremoval, damit die eigenen Kreaturen durchkommen, eventuell spielt man noch ein paar Burnspells, um den Gegner den letzten Schaden an den Kopf zu werfen.
 
Midrange:
Midrange-Decks spielen 23-24 Länder. Im Manabereich 1-3 passiert erstmal eher wenig, man bleibt mit gelegentlichem Removal gegen Aggro und Blitz am Leben und (wenn man Zugriff auf grün hat) rampt etwas, damit man schneller im Manabereich 4-5 ist. Im Manabereich 4-5 (mit Ausnahmen auch 6) spielt man dann viele Karten, die das Spiel auch alleine entscheiden können, wenn der Gegner dafür keine Lösung hat (z. B. Olivia Voldaren, Desecration Demon, Thundermaw Hellkite, Obzedat, Ghost Council, Garruk, Primal Hunter ...). Damit man sicher gehen kann, dass der Gegner einem diese starken Einzelkarten nicht abschießt, zerpflückt man ihm auch gerne die Hand mit Karten wie Liliana of the Veil, Rakdos' Return, Sire of Insanity oder Duress.
 
Control:
Ein klassisches Control-Deck spielt mindestens 24 Länder. Je länger das Spiel dauert, desto wahrscheinlicher ist der Sieg für das Control-Deck in der Regel. Bei einem Control-Deck plant man nicht, in den ersten sechs Runden zu gewinnen... ...die meisten dieser Decks können dies nicht einmal theoretisch. Die Ziellinie liegt irgendwo bei Runde 12 bis 20. Bis dahin kontrolliert man das Spielgeschehen, d. h. was immer der Gegner auch macht, man will es countern, bouncen, zerstören, exilen, unschädlich machen, wieder auf die Bibliothek legen... ...kurz: man will immer die passende Lösung für alles haben, was der Gegner so macht. Damit dies gelingt braucht man zum einen Karten, die Kartenvorteil generieren, zum anderen darf man nicht zu viele Finisher spielen. Irgendwann hat der Gegner (zumindest ist dies der Plan) dann weder Karten in der Hand noch auf dem Schlachtfeld, dann kommt der Zeitpunkt, in welchem man meist einen ekligen Finisher spielt (Angel of Serenity, Ätherling, Nicol Bolas, Planeswalker (...)) oder den Gegner mit Nephalia Drownyard oder Jace, Memory Adept zermürbt.
 
Combo:
Im T2 gibt es meist nicht viele Combo-Decks, zum anderen sind diese auch so verschieden, dass sich dazu kaum etwas konkretes sagen lässt. Generell lassen sich Combo-Decks aber in zwei Kategorien einteilen: Variante A, ich nenne sie mal "Speed-Combo", interagiert nicht wirklich mit dem Gegner, sucht sich einfach schnell die passenden Karten und will möglichst noch schneller fertig sein als ein Aggro-Deck. Variante B, nennen wir sie "Combo-Control", baut sich eigentlich wie ein normales Control-Deck und ersetzt die "herkömlichen" Finisher durch eine Combo, die das Spiel gewinnt.
 
 
Strategie, und nun?
Die oberen Strategien sind ein grob vereinfachter Überblick. Es gibt diverse Ausnahmen und Mischformen. Allerdings geben sie eine Orientierung für den weiteren Deckbau: Man spielt keine Midrange-Karte in einem Aggro-Deck und umgekehrt.
Wir haben nun eine erste Idee, die ersten Karten als Deckkern und die grobe Strategie des Decks. Im nächsten Kapitel soll es darum gehen, nach weiteren Synergien zu suchen, brauchbare Karten für unsere Deckstrategie zu finden und einen Pool an möglichen Karten für unser Deck anzulegen, damit wir daraus unser Deck basteln können.




Geile Idee - hilft mir sehr!

Merci.

So ähnlich mache ich das auch immer, wenn ich neue Decks baue, mal schauen wie gut die anderen Kapitel werden.

Wenn in einem Teil darauf eingegangen wird, dass eigene Decks bauen nicht gleich "ein gutes Deck nehmen und alle teure Karten durch schrott ersetzen" ist, dann gibt es sogar mal 5/5 Sterne von mir.

Wirklich gut durchdachtes und sehr schön geschriebenes Tutorial...

Man merkt manchmal gar nicht wie viele Phasen man dabei so durchlebt, wenn man ein neues Deck baut.

Danke fürs Augen öffnen !

 

Ebenfalls keimt der Samen für ein Sorin/Midrange/Vampire Deck, an das ich noch nie gedacht habe...

Mjam...mjam...mjam... an die Arbeit :D

Teach me, Master!

 

.. ein paar Kartennamen sind noch falsch (Intangible Virtues, Champion of Parish)

Eine Klasse Anleitung, für mich als Magic Einsteiger, der bisher nur 2 Casual Games in Echt bestritten hat (Intro bzw. Event Decks) und sonst eher Magic am PC gezockt hat, ist diese Anleitung echt super. Ich werde das auf jeden Fall weiterhin verfolgen :). Top !!

Super Erklärung Danke!

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