Politische Korrektheit... IN EDH!
Ich wette darauf, ihr alle habt schon politisch gespielt, wenn ihr eine Runde Multiplayer-Magic gespielt habt. Ohne Ausnahme!
Eine gewagte Behauptung, ich weiß. Aber vielleicht werdet ihr mir nach diesem Blog-Eintrag zustimmen. Vielleicht bringt er euch ins Grübeln. Vielleicht widersprecht ihr mir auch. Ich bin gespannt.
"Hör auf ihn einzuwickeln!"
"Wieso einwickeln? Ich bringe ihn dazu, darüber nachzudenken, ob mich zu töten wirklich der klügste Zug ist, den er gerade tun kann. Das nennt sich Politik!"
"Ich will keine Politik, ich will einfach nur spielen."
Ungefähr so lief letzte Woche Freitag eine Unterhaltung ab, die ich, mit einem Mitspieler unserer EDH-Runde, hatte. Es ging um folgende Situation:
Ich spielte Mogis, God of Slaughter, hatte ihn auch draußen, dazu einen Furnace of Rath, einen Haufen Länder und Darksteel Ingot. Drei Handkarten, allesamt Länder. Ich war also, kurz gesagt, keine große Gefahr. Der Spieler rechts von mir, den ich versuchte, davon abzuhalten, mich aus dem Spiel zu nehmen, hatte eine Aurelia, the Warleader, ausgerüstet mit Godsend. Hatte also in seiner Kampfphase die Möglichkeit, einen Spieler durch Commander-Damage aus dem Spiel zu nehmen, da mein Furnace den Schaden verdoppelte.
Der Spieler rechts von Aurelia spielte Tibor and Lumia und er war es, der dazwischenging, als ich versuchte, Aurelia einzureden, mich nicht aus dem Spiel zu nehmen, wenn sie das Spiel gewinnen wollte. Es gab immerhin noch Tibor and Lumia und Ezuri, Claw of Progress, die Aurelia den Sieg vermiesen konnten.
Ich wies Aurelia darauf hin, dass der Furnace ihr mehr nützen als schaden würde, aber eben nur, wenn ich die nächste Runde noch am Leben bliebe.
Nützte alles nichts. Aurelia nahm mich raus. Ein paar Runden später gewann Ezuri das Spiel. Zu dem Zeitpunkt, wo ich aus dem Spiel schied, hatte Ezuri einen fliegenden Blocker, TaL nicht.
Ich wollte nicht zwingend gewinnen, aber ich wollte auch nicht so früh rausfliegen. Also versuchte ich es mit Politik. Und scheiterte an einem anderen Spieler, der mir reinredete, ich solle nicht so politisch spielen und den anderen Spieler nicht einwickeln. Aber kurz zuvor noch gesagt bekommen, die beiden hätten ein Gentlemen's Agreement, sich nicht gegenseitig rauszunehmen. Und das ist keine Politik, oder wie?
Was genau ist Politik in Magic überhaupt?
Politik in einem Magic-Spiel bedeutet grob gesagt nichts anderes, als seine Karten zu nutzen, um anderen Spielern zu helfen oder ihnen am wenigsten zu schaden. Etwas, das in einem 1vs1 Spiel so gut wie nie relevant sein wird. Aber das ist nur grob gesagt. In Wahrheit ist es so viel mehr als nur das.
Wo fängt Politik in Magic an?
Ist es dort, wo man das erste Mal versucht, einem Mitspieler mit seinen Karten zu helfen? Ich behaupte: Nein.
In meinen Augen fängt Politik schon zu Beginn und manchmal sogar vor Beginn eines Spiels an. Glaubt ihr nicht? Ich werde versuchen, es ein wenig klarer zu machen.
In unserer Runde sind fünf Spieler. Am Anfang des Spiels nehmen drei Spieler einen Mulligan. Einer auf 7 (free Mulligan im Commander und so), einer auf 6 und einer sogar auf 5. Was macht das Wissen mit uns, dass ein Spieler mit viel weniger Potenzial startet, als die anderen der Runde? Erstmal stufen wir doch die Gefahr herab, die dieser Spieler für uns bedeutet, das heißt, wir konzentrieren uns auf die anderen Spieler, die das gleiche Potenzial haben wie wir selbst und damit schneller gefährlich werden zu können. Das hat schon etwas politisches, vor allem dann, wenn es quasi eine stille Übereinkunft gibt, sich erstmal um die größte Gefahr am Tisch zu kümmern.
Und dann passiert es. Der Spieler mit den 5 Handkarten legt in seinem ersten Zug Land, Sol Ring, Rakdos Signet während alle anderen nur ein Land gespielt haben. Plötzlich ist der Spieler wieder die größte Gefahr am Tisch.
Wir merken also: Politik hat immer irgendwie etwas mit dem Handling von Gefahren zu tun.
Sie fängt nicht erst dort an, wo man sich mit anderen Spielern verbündet, um eine Gefahr zu bekämpfen, sondern eigentlich schon dort, wo diese Gefahr das erste Mal Thema wird. Und manchmal leider auch schon davor.
Wie eingangs erwähnt, gibt es im Vornherein auch schon Absprachen. Das kann deshalb sein, weil man gut befreundet ist und man nicht möchte, dass der Freund sauer wird, wenn man ihn aus dem Spiel nimmt. Das kann auch deshalb sein, weil ein Spieler die Woche zuvor nur gewonnen hat und man diese Woche dafür sorgen will, dass dieser Spieler kein einziges Spiel gewinnt. Genau genommen gibt es einige Gründe, warum man sich mit anderen Spielern im Voraus verbündet.
Diese Art Bündnisse möchte ich hier kritisch betrachten. Sie beeinflussen das Spiel meiner Meinung nach in negativer Hinsicht. Es führt zu Ausgängen, die weder sinnvoll, noch spaßig sind. Warum? Weil sie zu unlogischen Entscheidungen führen.
Natürlich macht es Spaß, sich zu verbünden. Wenn Spieler A und B sich im vornherein absprechen ist das doch toll! Aber wenn das bedeutet, dass Spieler A Spieler B einfach gewähren lässt, egal, welche Gefahren er auf das Spielfeld legt und die anderen Spieler C, D und E systematisch daran zu hindern versucht, sich aufzubauen, weil die Absprache das ja verlangt, führt das zu Unmut bei C, D und E, weil es sich wie ein 1v1v1v2 anfühlt, statt dem eigentlichen 1v1v1v1v1 was sie spielen wollten. Und wenn C, D und E erst zu spät dahinterkommen, dass sich A und B abgesprochen haben, können sie in vielen Fällen auch nicht mehr Fuß fassen und fliegen aus dem Spiel. Macht das dann Spaß? Ich denke nicht.
Warum also denke ich trotzdem, dass Politik wichtig für das Spielen in einer Multiplayer-Runde ist?
Geheime Absprachen im Voraus sind schrecklich. Aber Absprachen während des Spiels sind es nicht. Wenn man sich während des Spiels abspricht, bezieht man die anderen Spieler ja gleich mit ein, schon allein dadurch, dass sie sehen, dass Absprachen getroffen werden. Und vor allem bezieht man bei dieser Art Absprachen die entsprechende Situation, in der sich das Spiel gerade befindet, mit ein. Man ignoriert sie zumindest nicht vollends wie es bei einer Absprache im Voraus getan worden wäre.
Der Punkt ist folgender: Wenn ich im Spiel auf eine akute Gefahr reagieren will, weise ich den Rest des Tisches darauf hin. Allein das ist eine Anregung zu politischer Diskussion. Schließe ich allerdings ein Bündnis im Voraus würde ich nur einige Gefahren als solche identifizieren, während ich andere Gefahren von den anderen abzuschirmen versuche. Ich würde also nicht mehr rational handeln und übersehe dadurch vielleicht sogar absichtlich Gefahren, die auch zu einem späteren Zeitpunkt für mich gefährlich werden können.
Nun ist es so, dass unterschiedliche Spieler eine unterschiedliche Vorstellung davon haben, wie man Magic spielen sollte. Bestimmt kennt ihr alle die verschiedenen Spielertypen Timmy/Tammy, Johnny/Jenny und Spike. Alle halten sie nicht viel von den jeweils anderen. Nun bestehen aber viele Spielgruppen aus einer wilden Mischung aus eben diesen 3 Spielertypen. Der Spike bringt nahezu unschlagbare Decks, die Johnnys und Jennys bringen ihre Kombo-Decks und die Timmys und Tammys haben einfach Spaß daran, komische Strategien auszuprobieren.
Jedenfalls wird es immer 1-2 Decks am Tisch geben, die ein klein bisschen besser sind, als die anderen. Sobald eine bestimmte Karte bei ihnen liegt, ist es für die anderen Spieler meist innerhalb der nächsten Züge vorbei. Und da ist Politik doch perfekt. Ein Bündnis, um den stärksten Spieler ein wenig zu schwächen und auf das Level zurückzuholen, auf dem die anderen Spieler sich gerade befinden. Das vielleicht unfaire Spiel wieder auszugleichen, durch den außerspielischen Aspekt der Redekunst.
Wie äußert sich Politik in Magic?
Es muss nicht immer nur darum gehen, seine Karten zu nutzen, um anderen Spielern zu helfen. Hin und wieder reicht es auch einfach, mit seinen Kreaturen einen Spieler nicht anzugreifen, obwohl dieser gerade keine Blocker hat und ihm dann zu sagen: "Hey, dafür hab ich aber was gut bei dir."
Oder generell gesagt: Versuche beim politischen Spielen den Spielern, mit denen du ein Bündnis haben willst, am wenigsten zu schaden.
Klingt einfach, aber ist es nicht in allen Fällen. Der Spieler A, mit dem du ein Bündnis willst, hat eine beängstigende Armee an Tokens liegen, ein anderer Spieler B, der dich schon die ganze Zeit angreift, aber auch. Du weißt, dass du bei einem weiteren Angriff von B sterben würdest, aber A würde diesen Angriff auch nicht überleben. Zum Glück hast du einen Boardwipe auf der Hand. Aber du weißt auch, dass du den Hass beider Spieler auf dich ziehen würdest, wenn du nun das Board wipen würdest. Was also tust du?
Sprich mit Spieler A. Frag ihn, ob er dir dankbar wäre, wenn du ihn mit dem Boardwipe vor dem Tod durch Spieler B retten würdest. Oder frage ihn, ob er eine andere Möglichkeit hat, B auszuschalten. Deute den Boardwipe an. Benutze ihn als Druckmittel. Auch das ist in der Politik durchaus erlaubt und üblich.
Wie die Situation letztendlich ausgeht, ist egal. Wichtig ist das Drumherum. Natürlich funktioniert es nicht immer. Politik kann auch für den Spieler, der sie aktiv betreibt, gefährlich sein. Aber besser, rausfliegen und es versucht zu haben, als rausfliegen aus Angst es zu versuchen.
Ist Politik also nur etwas für die Schwachen?
Nein. Auch die bereits starken Spieler schließen Bündnisse untereinander, weil sie um ihre Macht fürchten, oder weil sie den Kampf am Ende unter sich austragen wollen. Erinnert ein wenig an Game of Thrones, dieser Machtkampf mit kleinen Intrigen und Finten.
Natürlich sollte man es vermeiden, zu lügen. Wenn du sagst "Okay, ich greife dich im nächsten Zug nicht an." dann greifst du den Spieler auch gefälligst nicht an, wenn du wieder dran bist. Ansonsten wirst du unglaubwürig. Lügst du ein Mal, lügst du potenziell bei jedem weiteren Mal. Achte also genau darauf was du sagst und halte dich daran. Du greifst den Spieler nicht an. Zerstören kannst du ihm aber immer noch etwas, weil davon war in dem Kontrakt ja keine Rede. Dein Wort hast du gehalten. Damit bringst du dich zwar das nächste Mal in die Situation, einen Vertrag mit strengeren Bedingungen auszuhandeln, aber diese Bedingungen kannst du als starker Spieler auch zu deinen Gunsten beim Festlegen beugen. Findet Lücken und nutzt sie!
Und wie spiele ich nun politisch korrekt?
Bisher habe ich nur die möglichen Auswüchse politischen Spielens abgedeckt, aber noch nicht wirklich, wie man auch selbst politisch spielt.
Einerseits gibt es sehr politische Karten, die für sich genommen schon starken Einfluss auf das Verhalten, anderer Spieler nehmen. Man kann geteilter Meinung darüber sein, aber ich finde, Propaganda und Ghostly Prison sind beispielsweise politische Karten. Manche sagen, sie würden dem Gegner die Wahl lassen, einen Spieler mit allem anzugreifen, oder das eigene Board weiter aufzubauen. Dabei unterschlagen sie aber die dritte Option: Ihr eigenes Board weiter aufbauen und andere Spieler zuerst anzugreifen. Man zwingt dem Gegner durch solche Karten also eine unattraktive Wahl auf, die er aber auch einfach umgehen kann, indem er den Spieler gar nicht mehr als Ziel wählt. Und genau das ist Politik: Sich als Ziel uninteressant zu machen. Viel mehr noch: Uninteressant zu bleiben, bis man sich verteidigen kann.
Andererseits gibt es aber auch Karten, die erst gar nicht politisch erscheinen, die einem aber direkt ein Fadenkreuz auf die Stirn malen. Aura Shards ist so ein Beispiel dafür. Spielt ihr die Karte in Turn 3, habt ihr danach nicht mehr viele Freunde.
Warum das so ist? Versetzt euch mal in eure Gegner hinein. Was könnten sie auf ihrer Hand haben, was sie nun wegen Aura Shards nicht mehr gefahrlos spielen können? Oder was liegt bei ihnen schon auf dem Feld? Sol Ring ist auch in Turn 4 noch mächtig, sodass das vielleicht euer erstes Ziel sein könnte. Und vielleicht liegt mehr als ein Sol Ring da.
Eure Gegner wollen also Aura Shards wegbekommen. Vielleicht habt ihr "Glück" und es wird durch ein Spotremoval zerstört. Oder ihr habt Pech und 4 Spieler greifen euch hintereinander an.
Also, als allgemeine Regel: Bevor ihr eine Karte spielt, überlegt, welche Reaktion sie bei den Gegnern hervorrufen wird. Wollt ihr sie provozieren, oder sie von euch ablenken?
Natürlich ist das immer situationsbedingt, weshalb ihr diese Entscheidung für jede Karte, die ihr spielt, individuell treffen müsst.
Tarnen, täuschen und verhandeln
Im Grunde ist es nicht mehr als das.
Tarnen: Bleibe unter dem Radar der anderen Spieler, mach dich als Ziel unattraktiv.
Täuschen: Deute die Möglichkeit an, dass du anderen Spielern richtig übel mitspielen kannst, wenn du glaubst, das Spiel würde in die falsche Richtung gehen. Aber bleib glaubwürdig dabei. Eine gute Täuschung ist die halbe Miete.
Verhandeln: Wenn gar nichts mehr hilft, bleibt nur noch die Verhandlungsmöglichkeit mit anderen Spielern. Mach dir Freunde am Tisch. Hilf ihnen ehrlich, aber schließe auch Verträge ab. Brich die Verträge nicht!
Konklusion
Ich habe im ersten Satz behauptet, dass jeder von euch in einer Multiplayer-Runde schon mal politisch gespielt hat. Vielleicht war es unbewusst, vielleicht auch bewusst. Aber Tatsache ist, es ist passiert.
Jemand hat etwas gespielt, dass die Aufmerksamkeit des restlichen Tisches auf sich gezogen hat. Vielleicht wart ihr dieser Jemand. Vielleicht wart ihr auch nur beim Rest des Tisches dabei. Egal, auf welcher Seite ihr saßt, es war eine politische Aktion, die dort vonstattenging.
Man kann also gar nicht nicht politisch spielen.
Habe ich grobe Fehler in meiner Argumentation? Habt ihr Anregungen oder sonstige Kommentare? Konnte ich euch hiermit vielleicht sogar das politische Spielen ein wenig näher bringen?
Ich freue mich über jeden Kommentar!
- Sackbert, brennender_fuchs, Assimett und 4 andere haben sich bedankt
@Fingore
Hier mal nur zwei Beispiele für von dir genannte "Fakten", die mir eher Meinungsäußerungen zu sein scheinen:
Ich denke, einer der großen Vorteile von Magic gegenüber anderen Spielen ist die vorhandene Vielfalt an Formaten und Spielvarianten, die es jedem Einzelnen/jeder Spielgruppe ermöglicht, adäquate Unterhaltung geboten zu bekommen - auch wenn es dir u.U. nicht passt weil jemand andere Präferenzen hat als du.