Auf das "Potential einer Spezies" zu rekurieren ist gelinde gesagt ziemlich fragwürdig, wie Potentialitätsargumente generell. Ein Prinz ist potentiell ein König, hat er deshalb etsprechende Machtbefugnisse? Wertzuschreibungen sind durch Aktualität vorzunehmen, sonst müssten menschliche Spermien oder Eizellen wie Menschen behandelt werden, von Abtreibung ganz zu schweigen.
Und warum sollte dann die Grenze entlang der Spezes verlaufen, damit du dich keinen unbequemen Fragen stellen musst?
Unterwirfst du dich besseren Rethorikern oder Mathematikern, weil sie durch diese Fähgkeit einen höheren Wert haben?
Andere haben ähnliches geschrieben, und hier möchte ich ganz deutlich hervorheben:
Wir haben keine andere Möglichkeit, wenn wir ein ethisches oder moralisches System WOLLEN, dann müssen wir es ERFINDEN.
Rein mathematisch und wissenschaftlich ist es unmöglich zu zeigen dass es schlecht ist Menschen zu foltern und zu töten und Tierarten auszurotten.
Also ist jedes ethische oder moralische System in dieser Hinsicht gleich schwach. Alle Argumente sind fragwürdig weil sie auf Emotionen basieren oder auf einer Vermenschlichung oder auf philosophischer Tradition.
Wenn wir die alternative haben die Welt so zu lassen wie sie ist, oder die Welt mit einem Atomkrieg zu zerstören so dass nur ein paar Bakterien, Pilze, Insekten und Pflanzen überleben, dann ist jedes Argument für die eine oder andere Variante nötigerweise schwammig. Dem Universum ist es egal, was aus unserem Planeten wird. Für das Universum ist die Menschheit genauso bedeutungslos wie alles andere, was auf unserem Planeten lebt. Ein toter planet ist genauso wertlos wie ein bewaldeter, und ein Planet auf dem eine intelligente Spezies lebt ist deshalb nicht mehr wert.
Jedes moralische Argument muss mit der Erkenntnis anfangen, dass es zwar dem Universum egal ist, aber uns nicht! Rationale Begründungen sind weniger entscheidend als die Frage in was für einer Welt wir leben wollen.
Ich ziehe die Grenze auf der Ebene der Spezies und betrachte das geistige Potential jeweils der gesamten Spezies, weil es mir am sinnvollsten erscheint. Es ist einfach menschlicher und einfacher und fühlt sich besser an wenn auch behinderte Menschen die nicht sprechen können oder alte Menschen die dement werden den gleichen Respekt bekommen wie alle anderen Menschen. Und ein Menschenaffe oder Delfin der verhaltensgestört ist weil er in einem Zoo oder Zirkus oder in Privatbesitz aufgewachsen ist ist für mich deshalb noch nicht wertlos.
Andere ziehen die Grenze auf der Ebene des Individuums. Das gefällt mir weniger, weil man es dann sehr leicht rechtfertigen kann "minderwertige" Menschen unmenschlich zu behandeln. Ein Delfin oder Menschenaffe der durch Gefangenschaft nicht mehr dazu in der Lage ist in der Natur zu überleben ist dann auch wertlos und verdient nicht mehr Respekt als eine Forelle. Dann gibt es keinen Grund, Tiere in Zoos oder Menschen im Altersheim anders zu behandeln als Hühner in der Fleisch- und Eierproduktion.
Sehr viele folgen z.b. einer christlichen Tradition und haben ein dazu passendes moralisches System. Der Mensch enstammt dabei einem Schöpfungsakt, dem höchsten, und Tiere und Pflanzen entstammen einem anderen, früheren Schöpfungsakt. Alle Tiere und Pflanzen haben somit nur einen Nutzen, wenn sie für uns Menschen einen Nutzen haben, sie sind unser Besitz und haben uns zu dienen. Und weil sie glauben dass die Bibel die absolute Wahrheit ist wird oft argumentiert dass das ein absolutes moralisches System ist das eine solidere Grundlage hat als die beiden Systeme die ich weiter oben angesprochen habe. Stimmt natürlich nicht, es ist genauso willkürlich und schwammig.
Dann gibt es z.b. auch zwei Formen von Nihilismus. Die eine Form ist: Nichts ist etwas Wert, weder der Mensch, noch die Pflanzen, auch nicht die Tiere oder irgendetwas sonst. Wir können tun was wir wollen. Dem Universum ist es egal, warum sollte es uns nicht auch egal sein?
Oder man sagt alles was lebt ist gleichviel Wert. Menschen Tiere und Pflanzen und alles was sonst noch lebt hat denselben Wert, nämlich einen höheren als alles was tot ist. Ich bin so frech und sehe es als eine Form des Nihilismus, denn es führt zu denselben Resultaten: Ob ich ein Schnitzel esse, oder einen Kefir trinke der milliarden von Milchsäurebakterien enthält, oder ob ich Kinder und Rentner zu Wurst verarbeite ist dann genauso egal wie beim klassischen Nihilismus, alle Lebewesen sind gleichviel Wert.
Jetzt habe ich 3 Systeme und zwei Formen von Nihilismus angesprochen, die Unterschiede sind gravierend, aber lassen sich nicht logisch, mathematisch oder wissenschaftlich fassen. Wir müssen entscheiden was uns am besten Gefällt, müssen überlegen was die Resultate sind und bei welchem System uns die zu erwartenden Resultate am besten gefallen.
Ich denke eben Menschen sind am meissten Wert, gefolgt von Arten die zwar keine Sprache aber trotzdem hohe Intelligenz besitzen, gefolgt von weniger intelligenten aber dennoch emotionalen und empfindsamen Lebewesen, gefolgt von Lebewesen denen ein Nervensystem fehlt. Ich halte ein Spektrum für sinnvoll, deshalb gefällt mir das Christliche Wertesystem nicht weil dort zwar der Mensch an der Spitze steht, aber ein Gorilla genauso wertlos ist wie eine Topfpflanze.
Dann, wenn man so ein Spektrum will, ist die Frage wie genau man es aufzieht. Das System sollte dann konsistent sein mit den eigenen Vorstellungen von Gut und Böse, Recht und Unrecht, und zu dem Ergebnis führen dass man sich wünscht. Deshalb habe ich die Variante gewählt bei der die jeweils schwächsten Vertreter einer Art nicht unter die Räder kommen. Ich will nicht dass alte Menschen mit Alzheimer oder behinderte Menschen oder verhaltensgestörte Zirkuselefanten einfach so als unwert abgestempelt werden können, und die einfachste Möglichkeit das zu Berücksichtigen ist dass man jeweils das gesamte Potential der jeweiligen Spezies betrachtet wenn man es mit einem Individuum zu tun hat.
So macht es für mich am meissten Sinn, und da wir uns nicht auf mathematische, wissenschaftliche oder logische Tatsachen stützen können, eben weil es eine philosophische Frage ist, ist das als Argument gut genug wenn ich sage: So halte ich es für sinnvoll, so gefällt es mir (in Bezug auf mögliche Alternativen) am besten.
Die Wissenschaft kommt dann ins Spiel, wenn wir konkret fragen: Wie intelligent sind bestimmte Tierarten, wie empfindungsfähig sind bestimmte Arten von Lebewesen? Welches geistige und kulturelle Potential hat eine bestimmte Spezies? Das kann die Wissenschaft beantworten, was wir dann damit machen ist aber nunmal uns überlassen. Die Wissenschaft kann uns auch dabei helfen herauszufinden wie man eine bestimmte Tierart am besten schützen kann, mit GPS-sendern und Gentests und Nachzuchtprogrammen, oder wie man schwache und behinderte Menschen in die Gesellschaft integrieren kann, mit Prothesen oder einem Stimmgenerator oder Ohrenimplantaten etc. Ob wir es tun sollen und was wir genau zu tun haben, da lässt uns die Wissenschaft dann wieder im Stich und wir müssen zurückgreifen auf das moralische System das wir gewählt haben.