Du siehst also nicht ein, dass Kommunikation über grundlegende Handlungen hinaus (Nahrungstrieb, körperliche Unversehrtheit, Fortpflanzungstrieb) für eine Moral notwendig ist? Sehr fragliche Einstellung.
Du hast meine Aussage anscheinend nicht verstanden. Ich habe nicht bestritten, dass es für moralishes Handeln nötig ist, eine Form von Sprache zu haben, ich bestreite nur, dass das wichtig ist, um einen moralishen Status zuerkannt zu bekommen.
Tom Regan z.B. schlägt eine Unterscheidung zwischen moral agents, Individuen, welche zu moralischer Reflektion und Handlung fähig sind, und moral patients, Individuen, welche nicht zu moralishem Handel in der Lage sind, aber auf Grund Ihrer Leidensfähigkeit und ihres Subjekt-eines-Lebens-seins einen moralischen Status haben, vor. Und jedes Individuum mit moralischem Status hätte dann einen inärenten, unveräußerlichen Wert von 1.
Dieser Vorschlag erscheint mir sinnvoll.
Ich glaube auch nicht, dass man hier von mehr Sprache und weniger Sprache sprechen muss. Es gilt einfach: Sprache Ja oder Sprache Nein. Und so wie ich das als Nicht-Biologe sehe, haben Schimpansen keine Sprache.
Obwohl Sprache wie gesagt in der modernen Moralphilosophie als Kriterium kaum eine Rolle spielt, will ich hier mal kurz einwerfen, dass viele Affen und Vögel Formen von Sprache aufweisen, die Unterscheidungen von "sicher" oder "vielleicht" oder"nicht" aufweisen, mit entsprechender Grammatik, sie können sprachlich verschiedene Zeitebenen unterscheiden und sogar lügen, also die Behaupten, die nicht wahr sind, was eine Form von Imagination auf sprachlicher Ebene vorraussetzt und eine Reflektion über mögliche Folgen.
Das Grundgesetz hier übrigens als Gesellschaftsvertrag zusehen, greift erheblich zu kurz, denn ich und auch kein anderer, den ich jemals getroffen habe, hatte die Chance, diesem Vertrag nicht zuzustimmen, da aber Veträge eine beidsetige Willenserklärung vorraussetzen, ist das einfach kein Vertrag.
Auch das hier "Wert" mit subjektiver Nützlichkeit zusammen hängen soll greift viel zu kurz, da es eben instrumentellen Wert, welchen du damit meinst, und bereit erwähnten inhärenten oder intrinsichen Wert. Zweitere Wertform (nicht im marxistischen Sinn ) ist dabei unabhängig von Nützlichkeit, Zusatnd, besonderen Charakteristika und der Einstellung anderer zu dem Wertträger.
Und es ist auch klar, dass Wert niht von irgendeiner göttlchen Macht herrührt, obwohl vertreter der "Menschenwürde" indirekt immer herauf rekurieren müssen, sondern daher, dass in ethischen Systemen eine Wertzuschreibung stattfinden muss, um zu kennzeichnen, was berücksichtigt werden muss und was moralisch indifferent ist.
Und hier auf Kleinkinder zu verweisen ist alles andere als lächerlich, da, wie schon geschrieben, Potentialitätsargumente bestenfalls weifelhaft sind. Ich habe das Potential einen Führerschein zu machen, darf ich deshalb Auto fahren? Kind x hat das Potential ein durchschnittlicher Bürger zu werden, darf es desewegen bereits mit 5 wählen? Ober bereits direkt nach der Geburt? Sollten deswegen Embryonen, die eine sehr gute Channce habe, etliche Jahre später erachsene Menschen zu sein, Rechte in vollem Umfang erhalten? Hier geht es nicht um Potentialität, sondern um Aktualität.
Be der Erwähnung von Kindern oder auch geistig dauerhaft nicht voll entwickelten Menschen (die teils weit weniger Selbstbewusstsein und Vernunft mitbringen als eine durchschnittliche Katze, dafür gibt es zahllose Belege) geht es um Arguments from Marginal Cases, zu deutsch meist Argument der Grenzfälle. Es besagt im Prinzip nur, dass sich für jeden plausiblen Kandidaten eines Charakteristikums, welches Mensch und Tiere moralisch relevant differenzieren soll, sich auch innerhalb der Spezies Mensch Individuen finden lassen, welche dieses Charakteristikum nicht aufweisen.
Es gibt menschen ohne Selbstbewusstsein, ohne Sprache, die nicht autonom entscheiden können und teils garnicht entscheiden können. Wenn der moralische Status nun an Vernunft, Sprache oder Moralbewusstsein gekoppelt werden soll, haben einige Menschen keinen moralischen Status. Erhalten sie dann diesen weil sie zur Spezies Mensch gehören, hat das nichts mehr mit deren Vernunft oder so zu tun, sondern eben nur noch mit der Spezieszugeörigkeit. Da aber Spezies keine moralisch relavante Größe ist, analog zu "Rasse", Geschlecht oder Nation, verlangt das sog. PEC (principle of equal consideration; Gelichbehandlungsgrundsatz, der zum Beispiel auch in der Verfassung oder in der Päambel zu allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formuliert wird), das an dieser Grenze mit der Gleichbahndlung nicht willkürlich gestoppt wird. Alles andere wäre einfach inkosistent. Und Konsistenz ist eine der wichtigsten Bedingungen, nach denen eine Theorie geprüft werden muss.
Aus dem gesagten folgt, dass jeder, der sein Handeln und Urteilen moralisch konsistent halten will und gleichzeitig von einem Prinzip der Gleichheit unter Menschen ausgeht, entweder die Grenze Mensch fallen lassen muss oder das Prinzip der Gleichheit auch unter Menschen (oder eben den Anspruch auf ein kosistentes Moralsystem).
Und auch, wenn das kein Argument im eigentlichen Sinne ist, möchte ich kurz erwähnen, dass ca. 80% der in den letzten paar Jahrzenten veröffentlichten Schriften in der Moralphilosophie, also von Profis, einen ähnlichen pathozentrischen (an Leidensfähigkeit geknüpften) Ansatz haben, natürlich auf unterschiedliche Art und Weise (pflichttheoretisch, utilitaristisch, tugendethisch etc.), und wahrscheinlich sogar noch mehr biozentrische (alles Leben hat moralischen Status, egal wie es beschaffen ist) als anthropozentrische (nur Menschen haben moralischen Status) Schriften veröffentlicht wurden.
Bei Interesse zum weiterlesen empfehle ich: Peter Singer (Utilitarist; der Klassiker), Tom Regan (Deonthologe; der zweite Klassiker, der mit einem anderen, ebenfalls sehr gut begründeten Ansatz den ersten Kontrapol bildete) und Mark Rowlands (Kontraktualist; aufbauend auf John Rawls, dem wohl einflussreichste Gerechtigkeitstheoritker des 20. Jhd.). Als Einführung (und im Gegensatz zu den meisten anderen Werken auf deutsch verfügbar) ist recht gelungen Ursula Wolf, "Texte zur Tierethik".
Beste Grüße,
Ed