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Die Psychologie beim Magic Teil 1 – Achte auf den Gegner

Geschrieben von Paddel, in Psychologie beim Magic 03. Februar 2017 · 2.318 Aufrufe

Magic ist ein facettenreiches Spiel.
Hat man erst die Regeln verinnerlicht, sich für einen Decktyp entschieden und die ersten „Freundschafts-Spiele“ absolviert, beginnt der echte Spaß bzw. die Herausforderung. Es geht auf ein FNM oder einem Turnier auf ähnlichem Niveau. Hier sitzen sich Profis, Fortgeschrittene und Neueinsteiger gegenüber und werfen sich die Zaubersprüche an die Köpfe. Karten werden gedreht, gezogen und in den Friedhof befördert. Neueinsteiger wie Profis tritt der Schweiß aus allen Poren, wenn sich Tasigur, the Golden Fang zum Angriff macht.
Ich habe noch fünf Leben und einen Siege Rhino auf meiner Seite. Mein Gegner ist auf drei Leben runter und wäre nach dem Angriff ungeschützt. Also lasse ich den Angriff durch und greife dann im nächsten Zug selber an oder blocke ich zur Sicherheit? Ich setze zum Block an. Aber halt, huscht da ein Lächeln über das Gesicht meines Kontrahenten? Zittert seine Hand vor Vorfreude?

 

Ich denke, jeder hat schon ähnliche Situationen wie die von mir geschilderte erlebt. Egal ob zitternde Hände, erweiterte Pupillen, Veränderungen in der Stimme, nervöses Zucken oder einfach nur die Beschleunigung des Spielrhythmus. Jeder Mensch gibt beim Magic spielen unbeabsichtigt Informationen von sich preis. „Man kann nicht nicht kommunizieren“, hat schon Paul Watzlawick gesagt, als er seine fünf Grundregeln der Kommunikation aufstellte. Und bei einem Spiel, was quasi ohne Interaktion und Kommunikation nicht funktioniert trifft diese Aussage noch mehr zu. Gerade bei Magic kann man eine Unmenge Informationen über Mimik und Gestik sammeln. Die Frage ist nur, was fangen wir damit an und wie interpretieren wir sie richtig.

 

Magic ist wie Pokern. Diese These stelle ich jetzt einfach mal in den Raum. Bei beiden Spielen geht es um Mathematik, Psychologie und eine Prise Glück. Und was lernen wir relativ am Anfang beim Pokern? Das Bluffen bzw. die Kunst eine gute Hand bzw. eine schlechte Hand vorzutäuschen (beim Bluffen geht es nat. um mehr, aber runtergebrochen geht es am Ende genau darum). Fast noch wichtiger als das Bluffen ist es, denjenigen beim Bluffen zu erkennen. Wann will uns jemand täuschen und wie finden wir das raus?
Früher hat man einfach gesagt, dass ein „Lügner“ den Blickkontakt meidet oder sich an der Nase kratzt. Leider ist es dann doch nicht so einfach. Aber es gibt ein paar Dinge, an die man einen Bluff erkennen kann.

 

Ein Faktor ist die Zeit.
In der Regel braucht das Gehirn vier bis fünf Sekunden um sich an eine neue Situation zu gewöhnen. Nun ist man es bei Magic nat. gewöhnt das ein Zug, ein Angriff oder eine Reaktion gerne mal länger als fünf Sekunden braucht. Allerdings gerät der Körper in diesen kleinen Augenblick aus seinem Rhythmus, wenn etwas passiert, worauf er sich neu einstellen muss. Wenn euer Gegner also seine Kreatur zum Angriff tappt, dann lässt sich ein Bluff dadurch feststellen, wenn ihr Anzeichen zum Block macht. Hebt die Kreatur leicht an und täuscht einen Block an. In diesem Moment passiert etwas mit dem Gegenüber. Hat er damit gerechnet und läuft nach seinem Plan, dann solltet ihr den Block evtl. nicht vollziehen. Macht er aber eine sonst untypische Bewegung, hört z.B. auf seine Karten in der Hand zu mischen oder seht ihr ein leichtes Zucken, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass ihr mit dem Block seinen Bluff vereitelt und er seinen Plan überdenken muss.

 

Darum solltet ihr immer Faktor Zwei beachten: Die Körpersprache.
Jeder Mensch hat ein bestimmtes Muster, wie sich der Körper bewegt und welche Reaktionen er bei Entspannung oder Stress zeigt. Egal wie gut jemand sich selbst unter Kontrolle zu haben meint, der Körper spricht Bände.
Ich habe mal gegen jemanden gespielt, dessen Hände immer gezittert haben, wenn er Magic gespielt hat. Sonst war er ein ruhiger Zeitgenosse und hatte seine Hände im Griff. Auch war er kein schlechter Spieler, ganz im Gegenteil. Er kannte sein Deck perfekt, machte selten Spielfehler und konnte ein Spiel lesen, wie ich es vorher noch nie gesehen habe. Dennoch bedeutete Magic für seinen Körper Stress und das zeichnete sich dann durch zitternde Hände aus. Was vielen Spielern nicht auffiel, seine Hände zitterten in einem bestimmten Rhythmus. Hatte er eine gute Hand und war Vorne, dann verlief sein Zittern eher gleichmäßig und ruhig (also im Vergleich). Lief es allerdings nicht so gut, dann machte sein Zittern leichte Sprünge und das Tempo zog an. Diese Information konnte ich nutzen, in dem ich Situationen vorgab, die vermeintlich schlecht für ihn waren. Dadurch bekam ich Informationen über seine Hand, welche er mir eigentlich nicht verraten wollte.

Alle Körperteile wie Mund, Augen, Hände oder auch die Stirn können mir Informationen über die Hand/Situation des Gegners liefern. Falten auf der Stirn, ein gespitzter Mund oder die Hand am Ohr sind Zeichen der Verärgerung bzw. einer ungewollten Spielsituation.

 

Faktor Drei: Achtet auf den Halo-Effekt und fallt nicht darauf rein.
Vom Halo-Effekt spricht man, wenn z.B. ein bestimmtes Merkmal einer Person so stark hervorsticht, dass alle anderen Merkmale in den Hintergrund treten. Beim Magic kann zum Beispiel eine Person, die besonders selbstsicher auftritt und im Vorfeld schon viel über Magicstrategien oder seine Siege erzählt bei dem Gegenüber den Eindruck erwecken, dass er viel erfahrender ist als man selbst. Dadurch kann es passieren, dass man viel leichter auf einen Bluff rein fällt und Spielfehler macht, als normalerweise. Lasst euch also nicht vom äußeren Erscheinungsbild oder dem ersten Eindruck täuschen. Dann spielt sich das Spiel viel leichter.

 

Faktor Vier: Versetzt euch in den Gegner hinein.
Über den Bluff hinaus kann es nützlich sein, sich in die Rolle des Gegenspielers hineinzuversetzen. Gerade nach dem ersten Spiel, wenn es ans Sideboard geht, überlegen viele Spieler wie sie mit dem gegnerischen Deck generell gegen ihr Deck boarden würden. Ich finde es allerdings sinnvoller sich zu fragen, wie boardet mein Gegenüber, aufgrund der Informationen die er aus dem ersten Spiel bekommen hat, nun gegen mich. Um es genauer zu erklären. Bestimmte SB-Pläne sind klar. Gegen Affinity lohnt sich immer Stony Silence oder Creeping Corrosion, sofern man die Karten hat. Gegen Burn sind Lebenspunkte dazu erhalten auch immer solide. Aber boardet der Gegner gegen mein Abzan-Deck wirklich Blood Moon, obwohl ich im letzten Spiel so vorsichtig auf Basics gefetcht habe? Soll ich deshalb das eine Abrupt Decay boarden, obwohl es gegen das restliche Deck eine tote Karte ist? Nur weil Blood Moon gegen Abzan keine schlechte Karte ist, bedeutet das nicht, dass mein Gegenüber die Karte auch automatisch boardet.

 

Grundsätzlich kann man sagen, dass es nie schaden kann, wenn man sich nicht nur auf seine Karten konzentriert, sondern auch noch ein Auge auf den Gegenüber hat. Wer weiß, was seine oder ihre Augen euch verraten.

 

 

In diesem Sinne, recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal. Dann schauen wir mal in uns hinein.






Bei einem Match hatte ich auch mal das Gefühl, dass mein Gegner versuchte "mich zu lesen". Hat ewig langen Augenkontakt gesucht, etc. Vielleicht stand er auch auf mich. Er hätte sich lieber auf das Spiel konzentrieren sollen, da der Spielfluss darunter ziemlich litt. Das ganze ging in Richtung Stalling. Habe ihn trotzdem lang gemacht.

Achte auf deinem Gegenüber!

Edit: Titel gefixt!

@Rummelboxer zwischen auf jemanden achten und anstarren liegt dann doch ein Unterschied. ^^

Und nat kommt erst die Kenntnis über das eigene Deck. Dann die Konzentration auf die Boardsituation und im Anschluss kann man schauen, was macht der Gegner. Quasi the Next Level.

@JanErik dein Kommentar verstehe ich gerade nicht. Klar klingt "deinem Gegenüber" nicht so griffig (darum hab ich den Titel auch geändert. Zumal man sich ja nicht zwangsweise gegenüber sitzen muss. Große Runde usw.), aber ist grammatikalisch richtig. Oder worauf wolltest du hinaus?

Ich hätte auch "deinen" gesagt, weil die Frage doch lautet, auf "wen" achte ich und nicht auf "wem".

 

Jetzt können wir noch diskutieren, ob es nicht "dein Gegenüber" heißen müsste, weil "das Gegenüber" ein Neutrum ist :-)

Da hast du vollkommen recht. Irgendwie bin ich von Dativ Singular ausgegangen. Dein Gegenüber wäre richtig gewesen. Asche auf mein Haupt. Mag derjenige mit den zwei Sternen noch eine Begründung abgeben?

Mir fehlen noch ein bisschen die Gefahren eines falschen Reads auf den Gegner. Wie hatte Chapin das mal formuliert? Es ist wesentlich gefährlicher, den Gegner falsch zu lesen, als ihn gar nicht zu lesen.

 

Zumal sich der Großteil der Leute (mich eingeschlossen) sich wirklich erstmal mit technisch sauberem Spiel auseinandersetzen sollte.

Mir fehlen noch ein bisschen die Gefahren eines falschen Reads auf den Gegner. Wie hatte Chapin das mal formuliert? Es ist wesentlich gefährlicher, den Gegner falsch zu lesen, als ihn gar nicht zu lesen.

 

Zumal sich der Großteil der Leute (mich eingeschlossen) sich wirklich erstmal mit technisch sauberem Spiel auseinandersetzen sollte.

 

Ich schreibe gerade an einen Beitrag, der sich eher mit "sich selber" beim Spielen beschäftigt. Da werde ich das mit berücksichtigen. Danke für dein Feedback.

 

Das Zitat von Chapin kannte ich nicht. Aber er hat def recht damit gehabt. Gerade wenn ich frisch mit einem Deck spiele, habe ich auch mehr damit zu tun, als mit dem lesen des Gegners. Bei meinen Pet-Decks habe ich die Zeit für sowas. Dennoch halte ich diesen Aspekt beim Magic noch für viel zu sehr vernachlässigt.
Sehe es sonst wie Sokrates: "Rede, damit ich dich sehe." ;) Gibt so viele Spieler, die sich über das was und wie sie es sagen verraten. Wäre doof, wenn man das nicht nutzt. 

Ein Faktor ist auch wie lange ein Spiele für einen Zug braucht. Komplexe Karte (z.b. Removal wie Deft Dismissal )brauchen mitunter mehr Zeit. Zöge der Gegner keine Removal sondern nur Kreaturen geht der Zug viel schneller von Hand. Mir ist das letztens aufgefallen, als ich dran war und durchgerechnet habe, ob es sich lohnt wegen der Karte Mana offen zu halten - da war mir klar, dass mein Gegner jetzt schon eigentlich wissen muss, dass ich irgendetwas auf der Hand habe, was anders als "Kreatur und go" ist...