"Sorry, ich brauche eine Pause."
"Sorry, ich brauche eine Pause."
Lange ist es her, dass ich mich zuletzt mit einem Blogeintrag zu Wort gemeldet habe. Ich hatte mich damals mit den Feinheiten der Spielregeln und der Turnierregeln befasst. Mir fehlte dann jedoch die Zeit, oder viel mehr der Wille, selbige zu investieren, um Judge's Familiar zu einem wiederkehrenden Format zu machen. Dass ich heute wieder schreibe, entspringt dem Gefühl, als Judge an einem persönlichen Wendepunkt zu stehen. In diesem Blogeintrag stehen also weniger die Spielregeln und Turnierregeln im Vordergrund, sondern vielmehr meine persönlichen Gedanken zu diesem Hobby.
Warum bin ich überhaupt Judge geworden?
Meine Freundin war es damals, die mir Magic beigebracht hat. Ja, so etwas gibt es tatsächlich! Das war ungefähr zu dem Zeitpunkt, als Magic 2010 aktuell war. Ich kann mich jedenfalls noch daran erinnern, wie ich damals meinen ersten Booster gekauft habe. Intelligenterweise wählte ich einen Booster aus Alara Reborn, der für mein White-Weenie-Haufen-Deck natürlich keine passenden Karten enthalten konnte. Lange Zeit spielte ich ausschließlich Casual. Irgendwann brachte man mir hier im MtG-Forum die Basics des Deckbaus bei, und ich begann, meine Decks zu optimieren. Schon damals habe ich gerne an Regel-Diskussionen teilgenommen. Als Anfänger fehlte mir natürlich die nötige Kompetenz. Die habe ich dann einfach durch ein Gegengewicht an Sturheit ausgeglichen. Als ich mit einigen Legacy-Turnieren anfing, Turnierluft zu schnuppern, gewöhnte ich mir schnell an, alles mögliche in den Comprehensive Rules nachzulesen. Im Auenland Dortmund sah ich zum ersten Mal einen Judge in Aktion. Eines Tages erzählte mir der Besitzer des Auenlands, dass im Dortmunder Raum dringend Judges gebraucht würden. Ich selber spielte zu dem Zeitpunkt bis auf gelegentliche Drafts keine Turniere, aber die Feinheiten der Spielregeln hatten mich schon immer interessiert, und so entschied ich mich, Judge zu werden. Schon kurze Zeit später stand ich beim Dortmunder Magictreff, der damals die Iserlohner Turnierreihe beerbte, erstmals als Judgeling auf dem Floor.
Ich war damals naiv. Ich dachte tatsächlich, dass sich Judges hauptsächlich mit den Regeln des Spiels befassen. Meine erste Aufgabe: Ergebniszettel schneiden. Judgen ist vor allem eines: Papierarbeit.
Judgen macht Spaß!
Versteht mich nicht falsch: Das Judgen hat mir durchaus viel Spaß gemacht. Hin und wieder gibt es ja sie ja doch, diese Momente, in denen man die Feinheiten des Spiels wie Sherlock Holmes im Detail analysieren muss, um ein Problem zu lösen. Die Judge-Community nahm mich sehr herzlich auf, und ich habe in meiner Zeit als Judge viel über Community-Arbeit und Team-Work gelernt. Ich behaupte sogar, dass die Bewältigung organisatorischer Aufgaben als Judge mir beim Berufseinstieg geholfen hat. Und wenn man als Judge gut Arbeit geleistet hat, kann man sich der Dankbarkeit der TOs und der meisten Spieler sicher sein.
Judgen nervt!
Drücken wir mal auf die Vorspul-Taste. Irgendwann im Jahr 2015. PPTQ. Noch ein PPTQ. Ein weiterer verdammter PPTQ. Warum habe ich überhaupt zugesagt? Ein weiterer unvorbereiteter TO, der nach ein paar erfolgreichen Prereleases und FNMs meint, kompetitive Premier-Play-Turniere ausrichten zu müssen. Dabei hatte ich so etwas in der Art schon geahnt. Wenn die Frage "Wie viel Erfahrung habt ihr mit Turnieren?" mit "Wir haben viel Erfahrung mit Turnieren, bei unsereren Prereleases kommen immer 20 Spieler!" beantwortet wird, dann weckt das nicht unbedingt Vertrauen. Ich möchte solchen TOs auf gar keinen Fall ihr Recht nehmen, Turniere zu veranstalten. Aber zwischen REL Competitive und Prereleases, im Volksmund auch REL Chipmunk genannt, besteht dann doch ein erheblicher Unterschied. Drucker, Judge-Station, Platz für alle Spieler? Heizung, Strom und Licht? Scheinbar alles nicht selbstverständlich.
Das Judgen auf GPs ist tatsächlich ganz anders als das Judgen im Store. Beim GP Vienna 2014 habe ich durchaus meinen Spaß gehabt. Das war mein erster und gleichzeitig letzter GP. Denn am Sonntag Abend stellte ich mir vor allem folgende Frage: War es das wert? Das Wochenende fühlte sich für mich zu sehr wie Arbeit und zu wenig wie ein Hobby an. Zwei Tage lang stundenlang stehen, gehen, rennen, unter Lärm unzählige Spieler koordinieren, Ansprechpartner finden, Produkt verteilen, Müll einsammeln. Das schlaucht.
Aber all das ist eigentlich völlig nebensächlich. Denn das Problem liegt ganz woanders. Keiner zwingt mich, GPs zu judgen, und unerfahrene TOs kann man vorbereiten, man kann als Ultima Ratio dem TO sogar ankündigen, einfach zu gehen, wenn wichtige Bedingungen nicht erfüllt sind. Turniere können noch so gut vom TO vorbereitet sein, ich möchte sie nicht mehr judgen. Irgendwann im Jahr 2014 fing ich nämlich an, mich vom Casual-Turnierspieler zum Competitive-Turnierspieler zu entwickeln.
Ich möchte zur ProTour. Unbedingt.
Das ist mein Ziel als Magic-Spieler, und alle anderen magicbezogenen Ziele müssen sich diesem unterordnen. Wie realistisch das Ziel ist, muss ich noch herausfinden. Aber das Ziel steht fest. Judgen und Spielen, das verträgt sich leider nicht so gut. Auf REL Competitive und Professional ist es schlichtweg nicht erlaubt, gleichzeitig zu judgen und zu spielen. Auch auf REL Regular kann es schnell zu Problemen kommen. Ab einer bestimmten Größe des Turniers ist es schwer, zuverlässig zu judgen und gleichzeitig zu spielen. Da fordert der organisatorische Aufwand des Turniers einfach seinen Tribut. Als spielender Judge ist man fast schon gezwungen, eher aggressive Decks zu spielen. Ein 30-Spieler-Turnier judgen und nebenher UW Control spielen? Keine gute Idee. Glaubt mir, ich habe es ausprobiert.
Die Zeit, die ich für dieses Hobby aufbringen kann, ist streng limiert. Wenn ich mich zwischen Spielen und Judgen entscheiden muss, dann möchte ich mich immer für ersteres entscheiden. Viele Judges haben mit Turnierspiel gar nichts mehr zu tun. Ich finde das fragwürdig. In der ganzen Zeit als Judge habe ich nur wenige schlechte Judges erlebt. Ich denke allerdings, dass ein Judge, dessen Turnierspiel sich auf gelegentliche Prereleases beschränkt, im Nachteil ist, wenn es darum geht, die Perspektive von Spielern einzunehmen. Für mich war schon länger klar, dass das Judgen für mich ohne eigenes Turnierspiel wenig Sinn macht. Dadurch, dass meine für das Hobby verfügbare Zeit knapp geworden ist, und sich gleichzeitig mein Interesse am Turnierspiel deutlich verstärkt hat, fällt es mir schwer, mich für das Judgen überhaupt noch zu motivieren. Es fühlt sich einfach nicht mehr richtig an. Immer, wenn ich nicht spielen kann, weil ich judge, habe ich das Gefühl, etwas zu verpassen. Man ist dabei, aber nicht aktiver Teil des Geschehens. Beim Fußball auf dem Pausenhof waren immer die Kinder Schiedsrichter, die keiner in seiner Mannschaft haben wollte.
Bin ich überhaupt noch ein guter Judge?
Eine Frage, die ich mir in letzter Zeit häufig gestellt habe. Ein Judge muss nicht nur die Spielregeln und die Turnierregeln im Detail beherrschen. Mindestens ebenso wichtig ist ein Bereich, den die Judge-Community als "Diplomacy" bezeichnet. Im Grunde ist damit die geschickte Kommunikation mit Spielern, TOs und anderen Judges gemeint. Ich verrate euch kein Geheimnis, wenn ich zugebe, dass ich mitunter einen kompromisslosen Diskussionsstil pflege. Offline ist das weniger extrem, aber wenn mich ein Spieler nervt, dann möchte ich ihm das genau so sagen. Das kann man als Judge leider nur eingeschränkt. Und es gibt durchaus nervige Verhaltensweisen von Spielern und TOs, die man denjenigen noch viel zu selten vorhält.
Arrogante Semi-Pros, die aus einer falsch verstandenen Der-Kunde-ist-König-Haltung heraus permanent gewindelt werden wollen.
Borderline-Cheater, die immer wieder davon kommen, weil man ihnen die Absicht nicht nachweisen kann.
Unbelehrbare Slow-Player.
Unvorbereitete TOs.
Das alles klingt jetzt schlimmer als es ist. Magic-Turniere sind in der Summe ziemlich cool. Aber ich möchte nicht still sein, wenn ich etwas scheiße finde. Das tue ich schon im Beruf. Das sehe ich in meiner Freizeit einfach nicht ein. Was den Bereich Diplomacy angeht, war ich zwar nie eine völlige Katastrophe. Aber ich war auch nie ein ideales Aushängeschild. Ich sehe mich weder willens noch dazu in der Lage, den impliziten Erwartungen des Judge-Programms an dieser Stelle in voller Gänze gerecht zu werden.
"Ich könnte, wenn ich wollte. Aber ich will nicht."
All diese Bedenken haben mich in meinem Selbstverständnis von der Rolle als Judge immer weiter weggetrieben. Nicht gerade hilfreich waren einige Fehlentscheidungen von WotC hinsichtlich der Turnierregeln sowie des Umgangs mit Judges. Ich habe nur noch wenig Lust, für WotC unbezahltes Personal zu sein. Denn darauf läuft es hinaus. Ohne das ehrenamtliche Engagement von Judges wäre Magic vermutlich nicht annähernd so erfolgreich. So kommt es, dass ich eigentlich nur noch für meinen Stammladen judge, und auch dort nur sehr eingeschränkt, wenn es meinem eigenen Turnierspiel nicht im Weg steht, und lediglich deswegen, weil der TO bei mir einfach einen Stein im Brett hat. Im Auenland fühle ich mich wohl, im Auenland bin ich zu Hause. Ein Laden, der mir das nicht bieten kann, wird es schwer haben, mich als Judge zu gewinnen. Das ist vielleicht nicht fair, aber ich sehe nicht, dass ich anderen TOs irgendetwas schuldig wäre. Leider bringen einige TOs nur wenig Verständnis auf, wenn ich Ihnen die Situation erkläre. "Keine Zeit" ist eine Ausrede, die alle TOs akzeptieren. "Keine Lust, denn ich will lieber stattdessen spielen" dagegen kommt bei einigen TOs leider sehr schlecht an. Ich wurde schon mehrfach bei der Anmeldung zum Turnier in einer Mischung aus Verärgerung und Verwunderung mit "Was machst du denn hier???" begrüßt. Da fühlt man sich doch direkt gut aufgehoben, oder? Einige TOs nehmen es mir leider übel, wenn ich ihnen absage, obwohl ich Zeit gehabt hätte. Ich kann die Verärgerung sogar ein wenig verstehen, weil es nicht immer einfach ist, Judges für PPTQs und GPTs zu finden.
Dabei ist das Problem mit der Judge-Knappheit hausgemacht. Mal im Ernst: Warum benötigen PPTQs einen Level 2 Judge? Kann mir das einer nachvollziehbar erklären? Jeder GPT ist auch REL Competitive und darf trotzdem von einem Level 1 Judge geleitet werden. Sind PPTQs REL Competitive Plus, sodass es plötzlich einen Level 2 Judge braucht? In meinen Augen könnte man GPTs und PPTQs durchaus auf Regular REL veranstalten. Die Teilnehmer sind zur Hälfte ohnehin Locals ohne große Turniererfahrung, und die Preise rechtfertigen das Rules Enforcement Level in der Regel nicht. Ich verstehe, dass PPTQs zur Premier Play Route gehören, ich verstehe aber nicht, inwiefern sich daraus die Notwendigkeit eines Level 2 Judges ergibt. Nun haben wir, besonders in NRW, ein Problem. Wir haben viele Spieler, und sehr viele Läden, die PPTQs anmelden. Wir haben aber nicht genug Level 2 Judges, um das sinnvoll abzudecken. Bevor ich mich als Judge eingeschränkt habe, war ich im Schnitt an jedem zweiten Wochenende auf einem PPTQ. Wir haben so wenige Level 2 Judges, dass die vorhandenen quasi permanent im Einsatz sein müssten, um jeden Laden abzudecken. Vor einigen Tagen versuchte ich einen Judge für einen PPTQ in Dortmund zu gewinnen. Wisst ihr, was er mir schrieb?
"Sorry, ich brauche eine Pause."
- nina, PHF, Teferis Imp und 32 andere haben sich bedankt
Ich kann alle deine Argumente verstehen und nach vollziehen.
Und gerade da ihr anscheinend in NRW eine so hohe Nachfrage nach PPTQ habt und nicht genug lvl2 Judges, verstehe ich deine Sicht noch viel mehr. Bei uns in Niedersachsen ist es eher anders herum, ein neuer lvl2 Judge muss wohl erstmal schauen, wo er ein PPTQ findet zum Judgen, da es ja auch schon ein paar lvl2er gibt.
Und ja, dass ganze kann man eher als ehrenamtliche Arbeit ansehen. Man ist bis zu 12 Stunden auf den Beinen bei einem größeren Turnier, man ist vorher da zu aufbauen und mindestens bis zum finale bleibt man. Das alles für ein Display oder weniger, ergibt keinen dollen Stundenlohn.
Ich kenne viele Spieler die Respekt vor einem Judge haben und froh sind, dass jemand die Verantwortung übernimmt und diesem Job nachkommt. Aber es gibt auch genug Spieler, die meinen man macht den Job, weil man dann "ganz viele Booster" bekommt fürs Judgen oder die teuren Judge Foils hinterher geschmissen bekommt. Da sollte man mal etwas für transparenz soregen, damit die Leuten wissen, dass das leider nicht so ist.