Auf der Mission euren und meinen Spaß am Kartendrehen zu mehren, indem ich euch die vergessenen Freuden von Choose Your Own Standard vorstelle, würde ich gerne über einen Abriss über meine Liebe zu Lehm fortfahren. Allerdings muss ich mich vorher erst nochmal den Formatgrundlagen widmen. Damit das Ganze nicht zu einem trockenen Theorieabriss ausartet, möchte ich euch auf eine Reise durch die Magic-Historie unter dem Motto "When MtGoes wrong" mitnehmen. Heute ist Packen angesagt.
In meinem Eröffnungseintrag habe ich von der unglaublichen Vielfalt geschwärmt, die CYOS zu bieten hat. In den Kommentaren wurde dann direkt der Zeigefinger gehoben und das große Aaaaber laut. Zu Recht, wie ich zugeben muss. magic‑league.com ist (to the best of my knowledge) der einzige aktive Veranstalter für regelmäßige CYOS-Turniere und die Top 4 vom letzten Mal sehen so aus:
1. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
2. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
3. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
4. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
Das sieht in der Tat nicht ganz so aus, als ob es mit dem, was ich behauptet habe, zusammenpasst. Was ist da also passiert? Es hakt an den folgenden zwei Ecken:
Außer Problemkindern, die nicht mit den Spielregeln in Einklang zu bringen sind, finden sich auf einer adäquaten Bannedliste nur Formatbrecher wieder. Entweder weil sie an sich overpowered sind oder weil man mit ihnen kranke Combos bauen kann oder weil sie zentraler Bestandteil einer übermächtigen Strategie sind. In den großen Eternalformaten haben es Einzeltäter wegen der vielen Konkurrenz eher schwer. Dafür finden sich sehr leicht Komplizen für sicke Moves (die wo man dem Bauern gegenüber was Großes reindrückt) und Combos stellen damit im Allgemeinen im Vintage und Legacy die größte Gefahr für die Ausgewogenheit des Formats dar. Zum Glück stellt sich ein Zauber den anstürmenden Horden in den Weg und verhindert, dass Decks mit mehr Goblin Flammenrülpsern als Ländern alles überrennen.
Im CYOS ist die gute alte Force of Will aber untrennbar mit dem Ice Age-Block verbunden und kann daher nicht das Format definieren ohne dessen Spektrum massiv einzuschränken. Damit ergibt sich für mich die erste Vorgabe für eine gute Choose Your Own Standard-Umgebung:
1. Maßstab müssen weithin verfügbare Karten sein.
Als Benchmark, ob sich ein Deck, eine Karte oder eine Combo her im akzeptablen Rahmen bewegt, können nur die Basiskarten dienen, die in vielen Blöcken oder Grundeditionen auftauchen und daher auch in den meisten Kombinationen verfügbar sind. Das wären zum Beispiel Counterspell / Mana Leak, Doom Blade und Varianten, Disenchant / Naturalize, Oblivion Ring, Wrath of God / Day of Judgment, Schutzkreise, Pithing Needle-Effekte und der mittlerweile in zig Varianten vorhandene Graveyardhate. Nur so wird sichergestellt, dass man sich seine Blöcke frei auswählen kann. Verletzt würde diese Vorgabe zum Beispiel durch ein funktionierendes Storm-Deck mit Tendrils of Agony-Kill, das sehr spezielle Antworten erfordert.
Die zweite Vorgabe hab ich von Wizards Vorgaben für Modern übernommen, weil ich sie sehr sinnvoll finde:
2. Kein Deck sollte das Spiel im Durchschnitt vor dem vierten Zug gewinnen.
Wenn das Spiel kürzer dauert als vorher das Mischen, freuen sich auf Turnieren die Raucher, aber am Küchentisch oder im Casual Event führt es sehr schnell zu Frustrationen. Das Zeitfenster zum Interagieren und Antworten Finden sollte auf jeden Fall gegeben sein. Zumal in einem Format, in dem man teilweise auf Länder angewiesen ist, die getappt ins Spiel kommen.
3. So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
CYOS ist Casual mit kompetitivem Anstrich. Für die meisten nur eine willkommene Gelegenheit, alte Lieblinge oder neue Ideen auszupacken. Dafür sollte dann aber auch alles, was vertretbar ist, erlaubt sein. Denn es ist verdammt ärgerlich festzustellen, dass die Lieblingskarte von früher weiter im Ordner verstauben muss oder die begeisterte Tüftelei vor dem ersten Testflug an der Bannedliste zerschellt. Zumindest ging es mir so, als ich zum ersten Mal von Modern gelesen habe und alles, was ich spontan ansprechend fand, sofort an den Bannings scheiterte. Vor allem erschwingliche Evergreens wie Brainstorm, Lightning Bolt oder Dark Ritual sollten nur veboten werden, wenn es gar nicht anders geht.
4. Das Format braucht ein eigenes Gesicht.
In meinem letzten Eintrag hab ich davon geredet, wie CYOS die verschiedenen Spielertypen an einem Tisch versammeln kann. Jetzt, wo alle da sind, muss man ihnen aber auch etwas Besonderes bieten. Dem T2-Spieler kann man eine 800% Kartenpoolvergrößerung unterbreiten. Aber was macht man mit dem traditionell eher elitär eingestellten Legacy-Spieler, um ihn dazu zu bewegen, seine heißgeliebten Duals mal einen Abend im Rucksack zu lassen? Man könnte ihm etwas kredenzen, was er aus seinem normalen Tagesgeschäft nicht kennt. Gush zum Beispiel. Oder Survival of the Fittest. Oder Yawgmoth's Will. Prominente Namen, von denen er daheim die Finger lassen muss. Durch die Aufteilung des Kartenpools kann man durchaus die eine oder andere Karte erlauben, die im Legacy-Gesamtpool kaputte Dinge anstellen würde. CYOS gewinnt dadurch ein eigenes Profil.
Mit diesen vier Vorgaben im Gepäck freue ich mich, euch beim nächsten Mal zur History of Brokenness zu begrüßen.
Ich freue mich auch über Kommentare und Kritik und hoffe, dass der Ein oder Andere seine Meinung zu meiner Format-Analyse kundtut.
In meinem Eröffnungseintrag habe ich von der unglaublichen Vielfalt geschwärmt, die CYOS zu bieten hat. In den Kommentaren wurde dann direkt der Zeigefinger gehoben und das große Aaaaber laut. Zu Recht, wie ich zugeben muss. magic‑league.com ist (to the best of my knowledge) der einzige aktive Veranstalter für regelmäßige CYOS-Turniere und die Top 4 vom letzten Mal sehen so aus:
1. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
2. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
3. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
4. Platz: UW Delver (Ice Age/Innistrad/M12)
Das sieht in der Tat nicht ganz so aus, als ob es mit dem, was ich behauptet habe, zusammenpasst. Was ist da also passiert? Es hakt an den folgenden zwei Ecken:
- Niemand macht sich (bisher) die Mühe dieses Nischenformat auszubalancieren.
- Weil CYOS ein Nischenformat ist, gibt es auch zu wenige Spieler, um alle Möglichkeiten auszuloten.
Außer Problemkindern, die nicht mit den Spielregeln in Einklang zu bringen sind, finden sich auf einer adäquaten Bannedliste nur Formatbrecher wieder. Entweder weil sie an sich overpowered sind oder weil man mit ihnen kranke Combos bauen kann oder weil sie zentraler Bestandteil einer übermächtigen Strategie sind. In den großen Eternalformaten haben es Einzeltäter wegen der vielen Konkurrenz eher schwer. Dafür finden sich sehr leicht Komplizen für sicke Moves (die wo man dem Bauern gegenüber was Großes reindrückt) und Combos stellen damit im Allgemeinen im Vintage und Legacy die größte Gefahr für die Ausgewogenheit des Formats dar. Zum Glück stellt sich ein Zauber den anstürmenden Horden in den Weg und verhindert, dass Decks mit mehr Goblin Flammenrülpsern als Ländern alles überrennen.
DU... COMBOST... NICHT... VORBEI
Im CYOS ist die gute alte Force of Will aber untrennbar mit dem Ice Age-Block verbunden und kann daher nicht das Format definieren ohne dessen Spektrum massiv einzuschränken. Damit ergibt sich für mich die erste Vorgabe für eine gute Choose Your Own Standard-Umgebung:
1. Maßstab müssen weithin verfügbare Karten sein.
Als Benchmark, ob sich ein Deck, eine Karte oder eine Combo her im akzeptablen Rahmen bewegt, können nur die Basiskarten dienen, die in vielen Blöcken oder Grundeditionen auftauchen und daher auch in den meisten Kombinationen verfügbar sind. Das wären zum Beispiel Counterspell / Mana Leak, Doom Blade und Varianten, Disenchant / Naturalize, Oblivion Ring, Wrath of God / Day of Judgment, Schutzkreise, Pithing Needle-Effekte und der mittlerweile in zig Varianten vorhandene Graveyardhate. Nur so wird sichergestellt, dass man sich seine Blöcke frei auswählen kann. Verletzt würde diese Vorgabe zum Beispiel durch ein funktionierendes Storm-Deck mit Tendrils of Agony-Kill, das sehr spezielle Antworten erfordert.
Die zweite Vorgabe hab ich von Wizards Vorgaben für Modern übernommen, weil ich sie sehr sinnvoll finde:
2. Kein Deck sollte das Spiel im Durchschnitt vor dem vierten Zug gewinnen.
Wenn das Spiel kürzer dauert als vorher das Mischen, freuen sich auf Turnieren die Raucher, aber am Küchentisch oder im Casual Event führt es sehr schnell zu Frustrationen. Das Zeitfenster zum Interagieren und Antworten Finden sollte auf jeden Fall gegeben sein. Zumal in einem Format, in dem man teilweise auf Länder angewiesen ist, die getappt ins Spiel kommen.
3. So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
CYOS ist Casual mit kompetitivem Anstrich. Für die meisten nur eine willkommene Gelegenheit, alte Lieblinge oder neue Ideen auszupacken. Dafür sollte dann aber auch alles, was vertretbar ist, erlaubt sein. Denn es ist verdammt ärgerlich festzustellen, dass die Lieblingskarte von früher weiter im Ordner verstauben muss oder die begeisterte Tüftelei vor dem ersten Testflug an der Bannedliste zerschellt. Zumindest ging es mir so, als ich zum ersten Mal von Modern gelesen habe und alles, was ich spontan ansprechend fand, sofort an den Bannings scheiterte. Vor allem erschwingliche Evergreens wie Brainstorm, Lightning Bolt oder Dark Ritual sollten nur veboten werden, wenn es gar nicht anders geht.
4. Das Format braucht ein eigenes Gesicht.
In meinem letzten Eintrag hab ich davon geredet, wie CYOS die verschiedenen Spielertypen an einem Tisch versammeln kann. Jetzt, wo alle da sind, muss man ihnen aber auch etwas Besonderes bieten. Dem T2-Spieler kann man eine 800% Kartenpoolvergrößerung unterbreiten. Aber was macht man mit dem traditionell eher elitär eingestellten Legacy-Spieler, um ihn dazu zu bewegen, seine heißgeliebten Duals mal einen Abend im Rucksack zu lassen? Man könnte ihm etwas kredenzen, was er aus seinem normalen Tagesgeschäft nicht kennt. Gush zum Beispiel. Oder Survival of the Fittest. Oder Yawgmoth's Will. Prominente Namen, von denen er daheim die Finger lassen muss. Durch die Aufteilung des Kartenpools kann man durchaus die eine oder andere Karte erlauben, die im Legacy-Gesamtpool kaputte Dinge anstellen würde. CYOS gewinnt dadurch ein eigenes Profil.
Mit diesen vier Vorgaben im Gepäck freue ich mich, euch beim nächsten Mal zur History of Brokenness zu begrüßen.
Ich freue mich auch über Kommentare und Kritik und hoffe, dass der Ein oder Andere seine Meinung zu meiner Format-Analyse kundtut.
- cheff und Brennender_Mondi haben sich bedankt
Deine Idee des Nischenformats scheitert an diesem Punkt. Das Format wird offensichtlich nicht von sicker Combo definiert, sondern von Hardcontrol. Von einem Decktyp, den WotC mit aller Macht bekämpft - nicht ganz zu unrecht. Deine Formatanalyse geht völlig am realen Problem vorbei: Counter target spell für cmc2 sagt: Decks müssen vor Turn 2 völlig dominant sein oder nur Mustcounter und Länder spielen. Ice Age liefert Counterspell UND FoW, also gleich die 8 besten Control-Karten, die man in ein Ux-Control packen kann. Wer würde dieses Geschenk nicht annehmen, wenn er gewinnen will?
Eine Banlist zu erstellen ist imho auch gar nicht schwer.
> P9 (obviously)
> Ante
> Physical-Action
> Fun-Karten
> FoW
> Das schwächste Piece jeder Combo - oder das einzige definierende (Tendrils, Grapeshot, Brain Freeze, Squirrel Nest, Grindstone, ...)
> Duals
Um alles zu vereinfachen, könnte man auch Alpha, Beta, Revised und Unlimited verbieten. Geht ja nur broken verloren, macht also nix.
Sehen wir uns noch Punkt 4 an, hier sehe ich auch ein paar Fehler im Denken.
T2-Spieler: Dieser Spieler will gewinnen, nicht bauen. Standard ist nicht das Format für Tüftler, sondern das harte und omnipräsente Turnierformat. Der üblicherweise beschränkte Kartenpool sorgt für 1-3 DTB, zwei bis drei Konterdecks, und das war's. Es gibt mehr Decks, die sind aber irrelevant; können fast unter Casual abgelegt werden. CYOS wird für ihn imho nur interessant, wenn es DCI-Wertung, PTQ-Einladungen, Planeswalker- oder sonstige Gummipunkte dafür gibt.
Legacy-Spieler: Legacy ist Best of Magic, wobei man Broken außen vor lässt. Genau das will der Legacy-Spieler. Ich denke, CYOS ist für ihn nichts weiter als eine künstliche Einschränkung. Der Reiz von Survival, Will etc. liegt darin, dass man mit diesen Karten krank austicken kann. Entweder geht das in CYOS, dann ist es unerwünscht. Oder es geht nicht, dann ist es uninteressant.
Modern-Spieler: Modern ist das neue Legacy, mit zwei großen Pluspunkten: 1) Es ist etwas billiger, 2) Es geht nicht ganz so krass ab, da die meisten Design-Fails aus alten Tagen nicht mitspielen. Der normale Modern-Spieler will, so wie ich es einschätze, Best of Magic spielen, aber die Testphase rauslassen (=pre-6th). Zwischen 6th und Modern gab es nur 2 interessante Dinge: Storm und Thresh. Thresh ist mittlerweile aber durch Powercreep überholt und Storm gibt es - im Powerlevel aber an Modern angepasst. Ergo: der Modernspieler hat in Modern genau das, was er will. CYOS heißt für ihn: Künstliche Einschränkung dafür, dass die Testphase wieder mitspielt. Wüsse nicht, warum ihn das reizen sollte.
Vintage-Spieler: Err.. no.
EDH/Highlanderspieler: Hier, denke ich, ist dein Publikum. Diese Spieler stehen nicht unbedingt auf "harte" Turnierbedingungen. Viele von ihnen leiden gar unter der Verfügbarkeit von Duals und sonstigen Staples. Sie lassen sich auf neues ein (sonst würden sie diese Formate nicht spielen) und wissen durchaus, wie man etwas spaßiges auf Turnierniveau heben kann. Falls du CYOS etablieren willst, musst du, denke ich, die Stärken und Schwächen dieser beiden Formate analysieren. Ich denke, dass das Hauptstichwort Verfügbarkeit ist, und zwar doppelt. Erstens ist hier die Verfügbarkeit der Staples. Da setzt eine gute Banlist an. Die Banlist sollte also nicht nur die Aufgabe haben, Broken aufzuhalten, sondern auch finanzielle Hemmnisse eliminieren. Wegen Modern könnte man daher sogar Duals und/oder Fetchies darufsetzen. Zweitens ist es die Verfügbarkeit von Gegnern. Meistens spielt man im Internet nur, um sich auf "reale" events vorzubereiten; man muss schon ein ziemlicher Nerd sein, um an reinem Online-Play Interesse zu haben. Schlimmer noch: Online kann man oft auch die "großen" Formate spielen; wenn man nicht unbedingt in MTGO unterwegs it. in MTGO dominieren aber vermehrt Drafts - Limited ist für viele einfach das coolste Format, weil man weniger tüfteln muss, sondern mehr spielen kann. Tüfteln macht nur Spaß, wenn man seine Tüftelei nachher einem Gegner ins Gesicht knallen und sich freuen kann
Also, wenn du das Format etablieren willst, solltest du dafür sorgen, dass es Gegner gibt. Vielleicht bekommst du einen Ladenbesitzer oder so dazu überredet, ein Turnier zu veranstalten. Vielleicht kannst du sogar attraktive Preise auftreiben. Wichtig ist, Präsenz außerhalb des Internets zu etablieren. Nur so kann das Format erfolgreich werden.
Übrigens muss dir bewusst sein: FALLS dein Format Erfolg hat, musst du bald ein neues erfinden. Was Wizard mit erfolgreichen Casual-Formaten anstellt, sieht man beim EDH ("Commander"), welches Highlander vielerorts vom Spieltisch verdrängt hat.